Beim Prozess um das Bootsdrama auf dem Bielersee vom Juli 2010 hat die Verteidigung auf Freispruch für den angeklagten Rentner plädiert.
Die von der Staatsanwaltschaft präsentierten Indizien reichten für eine Verurteilung nicht aus, argumentierte Verteidiger Peter Saluz. Die Untersuchungsbehörden hätten sich frühzeitig auf den Bootsführer als Schuldigen fixiert. Die Staatsanwaltschaft habe dann begonnen, gezielt nach belastenden Elementen zu suchen. Doch bis heute gebe es keine eindeutigen Beweise, betonte Saluz.
Sein Mandant habe die Aufmerksamkeitspflichten nicht verletzt, wie dies die Anklage geltend mache. Das Gummiboot des Opfers habe sich verbotenerweise knapp ausserhalb der Uferzone befunden; dort müsse ein Bootsführer beispielsweise auf Fischer und auf andere Schiffe achten, aber nicht unbedingt ein Gummiboot erwarten.
Den von der Anklage erhobenen Vorwurf der Sehschwäche wies Saluz ebenfalls zurück. Der Vertrauensarzt habe seinem Mandanten einige Monate vor dem Unfall versichert, sein Sehvermögen reiche für normale Autos und Boote noch aus.
Keine harten Beweise
Ganz anders sah dies am Morgen die Staatsanwaltschaft: Der angeklagte Bootsführer sei wegen fahrlässiger Tötung zu verurteilen, sagte Staatsanwältin Silvia Hänzi in ihrem Plädoyer. Der Beschuldigte soll auch für die Verfahrenskosten aufkommen. Sie forderte eine bedingte Freiheitsstrafe von zwölf Monaten und eine unbedingte Geldstrafe von 14'400 Franken.
Harte Beweise für die Schuld des Mannes gibt es nicht. Dies geht aus den Ausführungen der Staatsanwältin hervor. Ihrer Meinung nach reichen die Indizien aber für eine Verurteilung aus.
So habe man an der Schiffsschraube drei Beschädigungen festgestellt, die laut Experten «auf Kontakt mit Knochen zurückgeführt werden könnten». Zudem habe man in den Dellen der Schrauben kleinste weisse Partikel sichergestellt, die eindeutig von einem Menschen stammten.
Zwar sei an den Partikeln keine menschliche DNA festgestellt worden, erklärte Hänzi. Das sage aber nichts über Schuld oder Unschuld des Bootsführers aus.
Widersprüchliche Zeitangaben
Vielmehr belasteten auch mehrere Zeugenaussagen den Mann, betonte die Staatsanwältin. Mehrere Personen, darunter der Freund der getöteten Frau, hätten das Unfallboot recht genau und übereinstimmend beschrieben – und diese Beschreibung treffe auf das Boot des Beschuldigten zu.
Der Bootsführer habe seinerseits widersprüchliche Angaben gemacht, wann er genau auf dem See unterwegs gewesen sei. Zunächst habe er eine Zeit angegeben, die der Unfallzeit entsprach. In einer späteren Einvernahme habe er gesagt, er sei mehr als eine Stunde früher unterwegs gewesen und könne also nicht der Unfallverursacher sein. Diese Korrektur habe er aber nicht schlüssig begründen können, sagte Hänzi.
Bootsführer litt an grauem Star
Der Bootsführer hatte bislang stets seine Unschuld beteuert. Er sei zwar auf dem See gewesen, habe aber nichts Aussergewöhnliches festgestellt. Für die Staatsanwältin ist dies kein Indiz für die Unschuld des Mannes.
Der Mann sei unaufmerksam gefahren, das zeige schon seine – auch von Zeugen beschriebene – Sitzhaltung. Im Übrigen habe der Bootsführer am grauen Star gelitten. Sein Sehvermögen sei also eingeschränkt gewesen.
«Puzzleteile» werden hinterfragt
Der Bootsführer habe den Unfall «durch seine Unaufmerksamkeit und sein beeinträchtigtes Sehvermögen» verursacht, heisst es in der Anklageschrift. Die Anklage lautet auf fahrlässige Tötung.
Verteidiger Saluz kritisierte die Anklageschrift als ungenügend und verlangte die Einstellung des Verfahrens. Er stellte danach eine Reihe von Anträgen, die seine Strategie in dem Indizienprozess deutlich macht: Die einzelnen «Puzzleteile» der Staatsanwaltschaft werden systematisch hinterfragt.
Am Schiff gebe es keine Spuren, die nachweislich vom Opfer stammten, und beim Opfer seien keine Spuren gefunden worden, die eindeutig auf das Boot des Angeklagten zurückzuführen seien. So blieben beträchtliche Zweifel an der Schuld des Angeklagten, der deshalb
freizusprechen sei.
Der Kanton Bern habe die hohen Verfahrenskosten von über 90'000 Franken zu übernehmen. Der Bootsführer solle für seine Umtriebe entschädigt werden, und das beschlagnahmte Motorboot sei ihm zurückzugeben.
Ohne Worte vor Gericht
Der angeklagte Rentner selber sagte vor Gericht lediglich: «Ich mache keine Aussage.» Seine Befragung dauerte denn auch nur zwei Minuten. Einen Grund für sein Verhalten nannte er nicht.
Das Urteil der Einzelrichterin soll am Mittwoch gesprochen werden.