Zwei Bilder werden von Simonetta Sommarugas Jahr als Bundespräsidentin in Erinnerung bleiben: Wie sie am Trauermarsch nach dem Anschlag auf «Charlie Hebdo» in Paris teilnimmt. Und wie sie von EU-Kommissionspräsident Juncker bei einem Treffen in Brüssel innig auf die Wange geküsst wird.
Das Bild ging um die Welt: Europäische Spitzenpolitiker – darunter Simonetta Sommaruga – protestierten im Januar mit einem Trauermarsch gegen den islamistischen Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift «Charlie Hebdo» in Paris. Im November erschütterten erneut Attentate die französische Hauptstadt.
Jüngst gab es auch in Genf einen konkreten Terrorverdacht. Das Stadtfest fand aber trotzdem statt. Das sei sehr wichtig: «Genf hat am Wochenende die Escalade gefeiert, und das ist gut so.» Genf habe sich in seiner Freiheit nicht einschränken lassen, sagte Sommaruga vor den Bundeshausjournalisten in Bern. «Wir dürfen uns unsere Freiheit nicht nehmen lassen, wir müssen sie gemeinsam verteidigen.»
Schweiz vom grossen Flüchtlingsansturm verschont
Neben dem Terror prägte die Flüchtlingskrise das Amtsjahr der Bundespräsidentin. Die Schweiz sei bisher vom ganz grossen Ansturm verschont geblieben. Und die Neuorganisation des Asylwesens sei erfolgreich, sagte Sommaruga.
Dieses Jahr sei das Hauptthema ihrer Arbeit aber das Verhältnis zur EU gewesen. Als Bundespräsidentin war sie oft unterwegs in europäische Hauptstädte – mit der Aufgabe, die Kontakte zu verbessern. Ein zentrales Ereignis war dabei ihr Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Februar in Brüssel.
Besseres Klima zwischen Bern und Brüssel
Dort wurde sie von Juncker euphorisch geküsst. Aber dieser Kuss, diese Annäherung sei durchaus auch politisch zu verstehen, sagt Sommaruga: «Wir sind in diesem Jahr in dieser Frage etwas weitergekommen. Vor allem haben wir in diesem Jahr die Basis für eine Lösung geschaffen.» Die Basis zu einer Lösung soll eine Schutzklausel sein, mit der die Schweiz die Zuwanderung beschränken könnte.
Sommaruga und ihre Bundesratskollegen haben zudem erreicht, dass sich die EU mindestens gesprächsbereit zeigt. Und so reist die Bundespräsidentin nächsten Montag zu einem neuen Treffen mit Juncker nach Brüssel. Auch beim Besuch von Angela Merkel in Bern habe sie festgestellt, dass sich das Klima zwischen der Schweiz und der EU verbessert habe.
Auf Dialogbereitschaft und eine gute Zusammenarbeit aller Parteien hofft die Bundespräsidentin auch im Inland. Sie appelliert speziell an die Mitteparteien: «Neigen sie, wie es in letzter Zeit oft geschah, auch weiter nach rechts? Oder setzen sie ganz klare, scharfe Grenzen gegen rechts-aussen? Setzen sie sich für den Rechtsstaat und für das Völkerrecht ein? Wir werden sehen», so Sommaruga.
Übergabe an Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann
Sie war oft auf Reisen, war in ihren Dossiers voll gefordert; ausserdem musste sie die Bundesratssitzungen leiten – es sei ein sehr intensives Jahr gewesen, gesteht Sommaruga: «Was zu kurz kommt, ist die Zeit neben der Arbeit. Aber das ist ja auch das Gute an diesem Präsidialjahr: Man weiss auch, dass es wieder aufhört, und man kann die Zeit nachher wieder anders organisieren.» Sie scheint nicht unglücklich, dass sie in der Silvesternacht das Bundespräsidium in die Hände ihres Ratskollegen Johann Schneider-Ammann legen kann.
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