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Schweiz «Cassis de Dijon»-Prinzip auf der Kippe

Der freie Warenverkehr bei Lebensmitteln hatte bisher kaum Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft. Trotzdem will der Bauernverband das Prinzip Abschaffen. Die Chancen stehen nicht schlecht.

Schinken mit mehr Wasser aus Österreich, Reibkäse aus Deutschland mit Stärke gegen Klumpen, Sirup aus Frankreich mit wenig Fruchtanteil. Das sind immer wieder genannte Beispiele von Produkten, die dank dem «Cassis de Dijon»-Prinzip einfacher in die Schweiz importiert werden können.

Die Angst, dass Schweizer Landwirtschaftsprodukte durch billige EU-Ware verdrängt werden könnten, ist nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch bei bürgerlichen Politikern angekommen.

Erfolgreiche Lobbyarbeit

Das «Cassis de Dijon»-Prinzip

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Produkte, die in der EU rechtmässig in Verkehr sind, können grundsätzlich auch in der Schweiz ohne vorgängige Kontrollen frei zirkulieren. Ausnahmen sind nur zum Schutz überwiegender öffentlicher Interessen möglich. Produkte, die nicht gestützt auf das Prinzip importiert werden können, sind auf einer Negativliste aufgeführt.

Darum könnte der Direktor des Bauernverbandes und FDP-Nationalrat, Jacques Bourgeois, bald am Ziel sein. Er hat erfolgreich für die Abschaffung des sogenannten Cassis-Prinzips lobbyiert – gegen den Widerstand von Economiesuisse und Grosshandel.

Für ihn ist klar: «Mit ‹Cassis› importieren wir tiefere Produktionsstandards und Normen. Wir torpedieren unsere Qualitätsstrategie.»

«Keine messbare Preiswirkung»

Ein Blick auf die Liste der Lebensmittel, die dank «Cassis» einfacher zugelassen sind, zeigt jedoch ein weniger drastisches Bild. Nach vier Jahren sind lediglich 45 Produkte-Kategorien für den erleichterten Import bewilligt worden. Dazu gehören Energy-Drinks oder Bier. Landwirtschaftsprodukte hat es darunter nur wenige.

Bundesrätin Doris Leuthard schätzte 2009, dass sich «durch das ‹Cassis›-Prinzip zwei Milliarden Franken Vorteile für die Konsumenten» ergeben würden. Wie eine Auswertung des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) zeigt, blieben diese Effekte aus. Die Untersuchung kommt zum Schluss, dass sich «keine messbare Preiswirkung des ‹Cassis de Dijon›-Prinzips ableiten lässt.»

Hochpreisinsel nicht geknackt

Das Prinzip hat also die Hochpreisinsel Schweiz nicht geknackt. Trotzdem ist der Verantwortliche für Wettbewerbsfragen der Economiesuisse, Thomas Pletscher, gegen die Abschaffung, die der Bauernverband verlangt. Der Lebensmittelbereich sei auch in der EU das Herzstück des «Cassis de Dijon»-Prinzips. Es sei aus diesem Sektor heraus entwickelt worden. «Wenn man das Herzstück eines Prinzips wegnimmt, dann untergräbt man es gesamthaft.»

Noch ist Jacques Bourgeois jedoch noch nicht ganz am Ziel. Im Winter wird der Nationalrat endgültig über die Abschaffung des «Cassis»-Prinzips befinden müssen.

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