Die Kritik am gestrigen Vorschlag von Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf kommt von der SP und von Daniel Lampart. Er hält ihn für grotesk, wie er in der Sendung «Rendez-vous» sagt. Daniel Lampart ist Chefökonom des Gewerkschaftsbundes.
Er präzisiert: «Es sind Basel-Stadt und Genf, die zu viele von diesen Steuerprivilegien gewährt haben, die jetzt abgeschafft werden sollen. Diese Kantone können nicht mehr zurück.» Jetzt komme aber der Bund und sage, in der ganzen Schweiz sollen die Unternehmenssteuern gesenkt werden. «Das kann doch nicht sein: Einzelne Kantone haben Probleme, und da sollen die Unternehmenssteuern generell runtergehen?»
Aktionäre würde eine Steuersenkung freuen
Von tieferen Unternehmenssteuern würden vor allem die Aktionäre profitieren, ist Lampart überzeugt. Zudem würden tiefere Steuern Löcher in die Kantonskassen reissen. Und dass Bundesrat und Kantone darüber nachdenken, diese Löcher mit einer höheren Mehrwertsteuer zu kompensieren, sei – wie gesagt – grotesk, findet er.
Die Gewerkschaften sehen einen anderen Weg. Die Schweiz soll sich endlich von der Tiefststeuer-Politik verabschieden: «Die Schweiz muss endlich umdenken. Damit garantiert ist, dass auch Unternehmen Steuern bezahlen, muss der Bund eine führende Rolle spielen. Es braucht eine Verlagerung der Unternehmenssteuern von den Kantonen zum Bund. Und das heisst: einen höheren Steuersatz beim Bund.»
Der Bund soll eine Untergrenze für die kantonalen Unternehmenssteuern festlegen. Mit den Massnahmen wollen die Gewerkschaften den Steuerwettbewerb einschränken.
Kantone sollen Steuersatz festlegen
Eine Untergrenze für die kantonalen Unternehmenssteuern? Nein, sagte Bundesrätin Widmer-Schlumpf dazu gestern vor den Medien: «Wir wollen keine Limite für die Kantone bestimmen. Es ist die Eigenverantwortung der Kantone, dafür zu sorgen, dass sie die Einnahmen haben, die sie brauchen, um ihre Aufgaben zu erfüllen.»
Der Präsident der Finanzdirektoren, Peter Hegglin, ergänzte: «Wir haben in mehreren Beschlüssen festgehalten, am Grundsatz des Steuerwettbewerbs unbedingt festzuhalten, da er sich in den letzten Jahren als vorteilhaft für unser Land gezeigt hat.»
Höhe des Steuerausfalls ist die zentrale Frage
Doch können die Finanzministerin und die Kantone die linken Anliegen einfach links liegen lassen? Nein, sagt Politexperte Michael Hermann. Er verweist auf die Abstimmung über die letzte Unternehmenssteuerreform im Jahr 2008: «Damals war es sehr knapp, und da war ja noch nicht bekannt, wie gross die Steuerausfälle sind. Also ist das kein Thema, bei dem man sagen kann, das ist per se schon gelaufen. Sondern eines, bei dem sich die Linke durchaus Chancen ausrechnen kann.»
Wenn bei der Abstimmung über die letzte Unternehmenssteuerreform das wahre Ausmass der Steuerausfälle bereits bekannt gewesen wäre – hätte das Volk die Vorlage wohl abgelehnt. Steuerausfälle werden auch bei der jetzigen Reform wieder eine zentrale Frage sein. Und bei den weiteren Diskussionen werden auch die unterschiedlichen Ansätze und Vorstellungen eine wichtige Rolle spielen.