SRF News: Die Staatsanwältin hat sich beim Prozess in Bellinzona in wesentlichen Punkten durchgesetzt. Das Urteil gegen die drei Männer ist das erste seiner Art gegen den IS in der Schweiz. Wie haben Sie es gelesen?
Michael Lauber: Ich habe dieses Urteil als klar und gleichzeitig sehr differenziert wahrgenommen. Es ist klar in Bezug auf drei Punkte: Erstens in Bezug auf die Gefährdung. Es ist klar, dass die Sicherheitshaft verlängert wurde. Zweitens ist es klar in Bezug auf die Anschlagsplanung, da das Gericht feststellt, dass diese zwar nicht zwingend, aber naheliegend ist. Und es ist auch klar in Bezug auf die Aussage, dass die Verurteilten am IS beteiligt sind oder diese IS-Zellen unterstützen.
Der Indizienprozess hat zwei Jahre lang gedauert. Am Anfang stand eine Kooperation mit den US-Behörden. War es die erste Zusammenarbeit mit dem Land?
Ja, wir haben ganz wesentliche Beweiselemente und Chat-Auswertungen nur aufgrund einer Zusammenarbeit mit den USA erhalten. Diese stützt sich auf einen Rechtshilfevertrag aus dem Jahre 2006. Es ist das erste Mal, dass wir dieses Abkommen nutzten.
Die Staatsanwältin hat in ihrem Plädoyer von einem Dilemma gesprochen. Sie hätte gerne zugewartet, um handfeste Beweise in der Hand zu haben. Doch der Schutz der Bevölkerung sei auch ihr Auftrag. Deshalb sei sie das Risiko mit wenigen Beweisen eingegangen.
Das heutige Urteil bestätigt das Vorgehen in diesem Dilemma. Dieses haben wir immer wieder – und ich werde immer wieder zu Gunsten der Sicherheit der Bevölkerung entscheiden. Auch wenn ich mir dann vielleicht einmal vorwerfen lassen muss, dass wir rechtlich noch hätten zuwarten müssen, weil die Beweisabnahmen dann besser gewesen wären.
Wenn ich die Frage zu beantworten habe, ob ich einen Anschlag habe verhindern können oder ob ich das eine oder andere vielleicht etwas besser hätte abklären können, dann bin ich froh, wenn ich mich für die erste Frage entscheiden kann.
Die Schweiz ist keine Insel. Das wurde letztlich auch mit dem heutigen Urteil einmal mehr ganz klar.
Was hat dieser Fall zum Verständnis der IS-Aktivitäten in der Schweiz beigetragen?
In der Öffentlichkeit wurde der gesamte Prozess eng begleitet. Ich bin grundsätzlich froh darüber, weil es wichtig ist, dass in der Öffentlichkeit bekannt ist, was die Gefährlichkeit einer solchen Organisation ausmacht; was die Schwierigkeiten eines Rechtsstaates sind, wenn es darum geht, dem Terror zu begegnen. Und es zeigt auch, wie wichtig es ist, dass wir mit dem Ausland zusammenarbeiten. Die Schweiz ist keine Insel. Das wurde letztlich auch mit dem heutigen Urteil erneut klar.
Wie viele Fälle aus dem Umfeld des IS bearbeiten Sie bei der Bundesanwaltschaft zurzeit?
Wir bearbeiten im Moment etwas über 60 Fälle im gesamten Bereich des dschihadistischen Extremismus. Der heutige ist aber sicher einer der wichtigsten, der schwierigsten und auch gefährlichsten Fälle bisher.
Das Gespräch führte Alexander Grass.