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Gottfried Schatz über Biochemie, Forschungsintrigen und Wissenschaftspolitik in der Sendung «Sternstunde Philosophie» im Sommer 2012.
Legende: Gottfried Schatz «Wir Menschen sind extrem komplex – ein unglaubliches Ausnahmeereignis. Ich finde das absolut wunderbar.» srf

Schweiz Der Biochemiker Gottfried Schatz ist gestorben

Gottfried Schatz wurde einer breiten Öffentlichkeit vor allem durch seine Essays über Wissenschaft bekannt. Gedruckt wurden diese im Feuilleton – nicht etwa im Wissenschaftsteil. Denn der Naturwissenschaftler Gottfried Schatz war ein Brückenbauer, ein Vermittler zwischen den Welten.

Was Gottfried Schatz tat, tat er mit Leidenschaft. Diese strahlte der schlanke, stets elegant gekleidete Mann aus und von dieser sprach er, wenn er gefragt wurde, was ihn antreibe.

Ich wollte einfach herausfinden, wie die Natur funktioniert.
Autor: Gottfried Schatz Naturwissenschaftler

«Was einen treibt, als Schauspieler, Musiker, Maler oder Wissenschaftler, das ist eine innere Leidenschaft, die man kaum definieren kann. Ich hatte Chemie studiert und wollte herausfinden: Warum ist das Gras grün? Wie kann das Gras die Sonne essen? Solche Dinge faszinierten mich.»

Gottfried Schatz wuchs in Österreich auf. Er lebte viele Jahre als Forscher in den USA, bevor er nach Basel kam und am dortigen Biozentrum wirkte. Sein Forschungsgebiet war der Energiehaushalt der Zelle. Später war er auch wissenschaftlicher Berater des Bundesrates.

Doch sein Herz schlug genauso für die Musik; als junger Mann studierte er neben Chemie am Konservatorium Geige. Für ihn gehörte beides – die Musik und die Naturwissenschaft – zur Kultur. «Die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse sind unsere Kultur. Sie sind eigentlich der Hauptpfeiler unserer westlichen Kultur», sagte er einst.

Die Verbannung der Naturwissenschaft aus dem Kulturbegriff ist eines der tragischsten Ereignisse im intellektuellen Leben des Westens der letzten 200 Jahre.
Autor: Gottfried Schatz Naturwissenschaftler

Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde Schatz vor allem durch seine Essays über Wissenschaft. Er schrieb über den Urknall, über Alzheimer, über das Wesen menschlicher Träume, Ebola, unsere Gene und ausserirdisches Leben.

Auch unbequeme Wahrheiten hatten Platz in seinen Essays, vor allem wenn es um den Zustand der Wissenschaft ging. Er verlangte mehr Klasse statt Masse an den Universitäten und warf den Hochschulen vor, auf reine Wissensvermittlung statt echte Bildung zu setzen.

Sein Argument: «Wir sprechen viel zu wenig mit unseren Studenten darüber, was Wissenschaft eigentlich ist. Was verlangt sie von uns? Was braucht es, um als Wissenschaftler glücklich zu sein?», so Schatz.

Unsere Zeit leidet an gut ausgebildeten, aber ungebildeten Wissenschaftlern.
Autor: Gottfried Schatz Naturwissenschaftler

Gottfried Schatz war gebildet – er konnte Hölderlin und Hume ebenso zitieren wie komplexe Erkenntnisse der Biologie erklären. Die Naturwissenschaftler waren für ihn die Philosophen unserer Zeit. Und häufig klang seine Biologie auch fast wie Philosophie.

Der grösste Teil der Materie im Universums ist wild und ungeordnet. Wir Menschen sind extrem komplex – ein unglaubliches Ausnahmeereignis. Aus dieser Materie zu bestehen, ist ein Privileg. Ich finde das absolut wunderbar.
Autor: Gottfried Schatz Naturwissenschaftler

Gottfried Schatz scheute die grossen Fragen nicht. Gleichzeitig warb er aber auch für mehr Bescheidenheit. Er sagte, auch die Naturwissenschaften würden die endgültige Wahrheit nie finden können.

(SRF 4 News, 15:30 Uhr; schubeca; roso )

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