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Schweiz «Der Bundesrat begeht einen pragmatischen Weg»

Der Bundesrat will mehr Geld für Betreuungsplätze geben. Auf weitere familienpolitische Massnahmen verzichtet er, obwohl verschiedene Vorschläge auf dem Tisch liegen. SRF-Bundeshausredaktorin Géraldine Eicher erklärt, weshalb.

SRF News: Weshalb schlägt der Bundesrat nebst den 100 Millionen Franken für Betreuungsangebote nicht noch weitere Massnahmen vor?

SRF-Bundeshausredaktorin Géraldine Eicher: Das tut er aus realpolitischen Überlegungen. Massnahmen in diesem Bereich haben in der Vergangenheit nachweislich etwas gebracht. Die 100 Millionen Franken tönen zwar nicht nach sehr viel. Aber es ist immerhin ein Drittel dessen, was der Bund in den letzten zwölf Jahren für die Förderung von Krippen, Tagesschulen und Horten bewilligt hat. Das Geld half, gegen 50‘000 neue Betreuungsplätze zu schaffen.

Es gibt Elternpaare, die haben finanziell nichts davon, wenn beide arbeiten.

Der Bundesrat will die Betreuung billiger machen. Wie gross ist dieses Problem der hohen Kosten wirklich?

Es gibt Elternpaare, die haben finanziell nichts davon, wenn beide arbeiten. Der zweite Lohn verschwindet entweder in den Kassen der Kinderbetreuung oder der Steuerbehörden. Je nach Einkommenssituation lohnt es sich für einen zweiten Elternteil ab einem Pensum von mehr als 40 Prozent nicht mehr, zu arbeiten. Das ist allerdings je nach Einkommen, Gemeinde und Tarifgestaltung unterschiedlich.

Bei der nun vom Bundesrat beschlossenen Massnahme stellen sich politisch zwei Fragen.

Ja. Einerseits kann man sich fragen, ob es tatsächlich Aufgabe des Bundes ist, in die Tarifgestaltung einzugreifen. Oder ob das nicht vielmehr Aufgabe der Kantone und Gemeinde ist. Und andererseits stellt sich die Frage, wie viel es wirklich hilft, wenn die Tarife mit der Bundeshilfe pro Kind um ein paar Franken sinken. Antworten auf die Fragen muss der Bundesrat noch geben.

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Ist das zusätzliche Geld für die Kinderbetreuung mehrheitsfähig?

Das ist nicht undenkbar. Bei der Finanzierung von neuen Betreuungsplätzen hat sich das Parlament in der Vergangenheit konstruktiv gezeigt. Aber solche Entscheide sind auch immer abhängig von der jeweiligen finanziellen Situation des Bundes. Hier gilt: je röter die Zahlen, umso grösser der Widerstand.

Das zusätzliche Geld für die Kinderbetreuung könnte mehrheitsfähig sein.

Andere Massnahmen will der Bundesrat nicht umsetzen, obwohl sie in der Verwaltung bereits gelten. So zum Beispiel die Möglichkeit von Eltern, Arbeitspensen zu reduzieren. Weshalb diese Zurückhaltung?

Weil es praktisch bei allen anderen vorgeschlagenen Massnahmen eine Reihe von Negativpunkten gibt. Entweder sind sie nicht verfassungskonform, verstossen gegen den Föderalismus oder bringen sehr viel Aufwand und wenig Nutzen. Bei den Arbeitspensen etwa ist unklar, ob nur Mütter ihr Pensum reduzieren. Somit hätte das eine diskriminierende Wirkung.

Praktisch alle anderen Vorschläge sind entweder nicht verfassungskonform, verstossen gegen den Föderalismus oder bringen viel Aufwand und wenig Nutzen.

All diese Negativpunkte sind politisch angreifbar und machen Mehrheiten im Bundeshaus unwahrscheinlich.

Ja. Der Bundesrat begeht deshalb, wie er selber sagt, einen pragmatischen Weg. In den letzten drei Jahren gab es drei Volksabstimmungen mit dem Ziel, Familien zu fördern. Allerdings sagte das Volk immer nein – egal ob die Idee vom Parlament, der CVP oder der SVP kam. Das zeigt: Einfache Lösungen gibt es in der Familienpolitik nicht. Und das Volk glaubt nicht an die Wunderwirkung von einfachen Rezepten.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.

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