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Schweiz Der Kampf gegen die «Schnaps-Pest»

Ein 130-jähriges Kapitel geht zu Ende. Die Eidgenössische Alkoholverwaltung wird in die Zollverwaltung eingegliedert. Ein neues Buch zur Alkoholpolitik zeigt: Neben Repression hat die Politik zunehmend versucht, die Bevölkerung von einer gesunden Ernährung zu überzeugen.

Kartoffel, Äpfel und Kirschen – vor hundert Jahren war die Schweiz das obstreichste Land der Welt. Das jedenfalls behaupteten die Werbefilme der Eidgenössischen Alkoholverwaltung (EAV). Die Botschaft war simpel: Die Schweizer sollten gesundes Obst essen, anstatt aus den Früchten und Beeren Schnaps zu brennen.

Für dieses Anliegen setzte die Alkoholverwaltung auf das damals modernste Kommunikationsmittel. Die Filme erreichten ein grosses Publikum und wurden zum Beispiel in Kinos vor den Spielfilmen gezeigt, sagt Peter Moser, Leiter des Archivs für Agrargeschichte.

Daneben organisierte die EAV unter anderem Kochveranstaltungen mit, die zeigten, wie vielfältig man Kartoffeln zubereiten kann.

Alkohol zum Frühstück

Aus dem Archiv

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Hier finden Sie weitere historische Filme aus dem Archiv für Agrargeschichte.

Ziel war die Bekämpfung der «Schnapspest». So nannten die bürgerlichen Politiker den Alkoholismus in der ländlichen Unterschicht und bei Industriearbeitern. Seit Ende des 19. Jahrhunderts war dieser weit verbreitet. Oftmals tranken Männer, Frauen und sogar Kinder schon vor Arbeits- oder Schulbeginn Alkohol – als Nahrungsersatz und Betäubungsmittel.

Lange versuchte die Politik, den Alkoholismus mit Repression und Verboten zu bekämpfen. Erst in den 1920er Jahren fand ein Umdenken statt. «Es ist der Alkoholverwaltung gelungen, von diesem Feinddenken wegzukommen und etwas «Positives» in den Vordergrund zu rücken, nämlich den Konsum von gesundem Obst und Kartoffeln», erklärt Historiker und Buchautor Peter Moser.

140 Jahre Alkoholpolitik - die wichtigsten Abstimmungen

Subventionierte Äpfel

Neue Perspektiven

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Das Buch «Rausch & Ordnung» von Peter Moser und Juri Auderset wird am 6. Oktober in Bern vorgestellt. Es beleuchtet erstmals umfassend die Geschichte der Schweizer Alkoholpolitik.

Es blieb aber nicht nur bei Werbung für schöne und gesunde Früchte. Mostereien pasteurisierten auch alkoholfreien Apfelsaft und kochten Konzentrat ein (z.B. Birnendicksaft «Birnel»). Vor allem aber subventionierte der Staat den Transport von Frischobst und verbilligte die Früchte für die arme Bevölkerung.

Das zeigte Wirkung. Peter Moser bezeichnet die Massnahmen als «Erfolgsstory». Allerdings ist dafür auch der soziale und demografische Wandel verantwortlich. Auf dem Land gab es immer weniger arme Taglöhner und Knechte, in den Städten stieg das Industrieproletariat in die Mittelschicht auf.

Wodka statt «Brönnts»

Das Elendstrinken wandelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Wohlstandstrinken. In diesen Schichten waren Wodka, Whisky und Grappa beliebter als das einheimische «Brönnts» (Gebranntes). Die Alkoholverwaltung versuchte, den steigenden Import zu begrenzen. 1973 erhöhte der Bundesrat die Einfuhrsteuern gleich um 45 Prozent.

Das veranlasste einige besorgte Bürger zu regelrechten Hamsterkäufen. Laut Peter Moser waren das aber Ausnahmeerscheinungen. Alkohol blieb trotz dieser Erhöhung für den Grossteil der Bevölkerung bezahlbar.

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