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Schweiz «Der Terrorismus findet vor unserer Haustür statt»

Nach den Anschlägen von Paris drängen Schweizer Politiker darauf, das neue Nachrichtendienstgesetz schnell unter Dach und Fach zu bringen. Einzig Juristen und Grüne warnen vor verschiedenenen Gefahren.

Das Attentat auf Charlie Hebdo hat die Frage nach dem Ausmass der terroristischen Bedrohung und Möglichkeiten seiner Bekämpfung durch Nachrichtendienste neu gestellt.

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Der Bundesrat nahm die Überarbeitung des Nachrichtendienstgesetzes bereits 2009 in Angriff – Jahre vor dem Aufkommen des Islamischen Staates und des Dschihad-Tourismus. Die Vorlage soll in der kommenden Frühjahrsession vom Nationalrat behandelt werden. Genügt sie den neuen Ansprüchen? SRF News Online hat bei Nationalräten und einem Rechtsexperten nachgefragt.

Verlagerung der Anschläge in die Schweiz

Der Nationalrat und Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission Roland Borer (SVP/Solothurn) wünscht eine rasche Behandlung der Vorlage durch die Räte. Die Ereignisse in Paris und Belgien hätten gezeigt, dass der Terrorismus auch «vor unserer Haustüre stattfindet». Borer befürchtet, dass wenn der Schweizer Nachrichtendienst nicht bald über die zusätzlichen Kompetenzen verfügt, sich die Anschläge in die Schweiz verlagern könnten.

Verbesserungspotenzial sieht Borer weniger beim Gesetz als beim Vollzug: «Der Nachrichtendienst des Bundes, das Aussendepartement (EDA), die Bundeskriminalpolizei und andere Institutionen, die über relevante Informationen verfügen, müssen enger zusammenarbeiten. Erst wenn wir alle verfügbaren Informationen zusammenlegen, können wir terroristische Bedrohungen wirksam bekämpfen.»

Auch die Nationalrätin Ida Glanzmann-Hunkeler (CVP/Luzern), ebenfalls Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission, hofft, dass das Gesetz möglichst rasch behandelt wird: «Es ist wirklich nötig, dass der Nachrichtendienst die neuen Instrumente in die Hände bekommt und damit vorwärts machen kann.» Ida Glanzmann-Hunkeler erwartet. dass das Gesetz in der Frühjahrssession vom Nationalrat ohne weitere Änderungen angenommen wird, da die meisten Parteien es unterstützen würden. Aus Sicht der CVP seien keine zusätzlichen Anpassungen nötig, da der aktuelle Entwurf bereits die gewünschten Verschärfungen enthalte.

Beeinträchtigung der Grundrechte

Der Nationalrat und Gegner der Vorlage Daniel Vischer (Grüne) hält eine Überarbeitung der Vorlage ebenfalls für unwahrscheinlich. Die Ereignisse von Paris hätten gezeigt, dass selbst Nachrichtendienste mit weitreichenden Kompetenzen nicht imstande seien, Attentate zu verhindern. Dennoch hält Vischer eine präzise Aufarbeitung des Attentats für angezeigt.

Seiner Ansicht nach sind die Ursachen für die Radikalisierung der Attentäter vor allem in der gesellschaftlichen Spaltung des Landes zu suchen. Daniel Vischer zufolge bringt der Ausbau der Kompetenzen des Nachrichtendienstes in der Schweiz keine Verbesserung der Sicherheitslage sondern hauptsächlich eine Beeinträchtigung der Grundrechte.

Bessere Zusammenarbeit gefordert

Rainer J. Schweizer, emeritierter Professor für Öffentliches Recht an der Universität St. Gallen, teilt Daniel Vischers Auffassung: Das neue Nachrichtendienstgesetz gewähre den überwachten Personen zu wenig Rechtsschutz und Beschwerdemöglichkeiten, vor allem wenn die Überwachung im Ausland stattfinde. Weiter bemängelt Rainer J. Schweizer, dass der Gesetzesentwurf nicht genügend auf spezifische Gefährdungen eingeht und die Zusammenarbeit zwischen der Bundesanwaltschaft und den Kriminalpolizeien von Bund und Kantonen zu wenig geklärt ist.

Laut Schweizer reicht es nicht aus, die Kompetenzen des Nachrichtendienstes zu erweitern. Auch die Fahndungsmöglichkeiten der Kriminalpolizei sollten ergänzt werden. Das hätten nicht zuletzt die Ereignisse von Paris gezeigt. Bestimmte Tatbestände wie der illegale Waffenbesitz der Attentäter seien nämlich Sache der Kriminalpolizei. Eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Organisationen hätte die Attentate vielleicht verhindern können.

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