Insgesamt 6500 Bewilligungen für Fachspezialisten aus Drittstaaten ausserhalb der EU stehen im Jahr 2016 zur Verfügung. Die eine Hälfte der Bewilligungen geht an die Kantone, die andere Hälfte behält der Bund als Reserve. Dieses Jahr ist speziell: Die letzten Bundesreserven für Daueraufenthalter sind schon seit dem 13. September weg. Und viele Kantone haben ihre eigenen Kontingente schon längst aufgebraucht. Sie stecken jetzt in Schwierigkeiten.
Basel-Stadt zum Beispiel, wo der Volkswirtschaftsdirektor und Präsident der Volkswirtschaftsdirektoren-Konferenz, Christoph Brutschin, sagt: «Es ist eine problematische Situation: Man weiss nie, ob Projekte, die für die Schweiz geplant waren, jetzt irgendwo anders stattfinden. Solche Projekte sind wichtig, weil sie die Basis der Beschäftigung von morgen sind.» Konkret habe in Basel etwa Novartis deswegen bereits Probleme, schrieb die «Aargauer Zeitung».
Die Zuwanderungsinitiative wirkt nach
Die Volkswirtschaftsdirektoren machen daher seit längerem Druck auf den Bundesrat: Er soll die Anzahl Bewilligungen wieder erhöhen. Denn vor zwei Jahren kürzte der Bundesrat die Kontingente – Begründung damals: das Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative, also die Forderung nach weniger Zuwanderung.
Nur: Ganz weg sind die Kontingente gar nicht. Léa Wertheimer, Sprecherin des Staatssekretariats für Migration SEM, sagt zu Radio SRF: «Bei den Kantonen sind aktuell noch rund 500 Einheiten für längere Aufenthaltsbewilligungen verfügbar.»
500 der ursprünglich 2500 Bewilligungen für Aufenthalte über ein Jahr gibt es also noch – halt in jenen Kantonen, die ihren Anteil bislang nicht aufbrauchten. In einer Notlage wie jetzt weckt das Begehrlichkeiten.
Die Kontingente der anderen
Etwa bei der Baselbieter CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter, die in Anfragen an den Bundesrat höhere Kontingente fordert: «Ich könnte mir vorstellen, dass der Bund Massnahmen trifft: Sodass jene Kantone, die ihr Kontingent nicht ausschöpfen, unter Druck gesetzt werden könnten, ihr Kontingent anderen Kantonen zur Verfügung zu stellen.»
Schliesslich würden die wirtschaftlich starken Kantone, die dringend diese Bewilligungen für Spezialisten brauchen, auch viel Geld in den Finanzausgleich einzahlen: «Jene Kantone, welche die Kontingente bis heute nicht gebraucht haben, haben ein grosses Interesse daran, ihre übrigen Kontingente jenen Kantonen, welche die Kontingente brauchen, zur Verfügung zu stellen – damit der Finanzausgleich auch langfristig für diese Kantone gesichert ist.»
Kantonales Rückgaberecht für Restkontingente
Die Kantone zwingen, Restkontingente abzugeben, könne der Bund nicht, heisst es beim SEM. Freiwillig kann aber jeder Kanton jederzeit überschüssige Bewilligungen dem Bund zurückgeben – damit er sie dann an jene Kantone weiterverteilen kann, die dringend Kontingente brauchen.
Und tatsächlich erwägen dies auch bereits erste Kantone. St. Gallen etwa hat von seinen 76 Bewilligungen für Daueraufenthalte noch immer fast 50 übrig. Roland Lippuner vom St. Galler Amt für Wirtschaft und Arbeit sagt daher: «Eine Abtretung von Kontingenten an andere Kantone könnte sicher diskutiert werden. Man müsste einfach die Rahmenbedingungen festlegen und miteinander abmachen, wie das Verfahren laufen soll.»
So dass dann später, falls nötig, auch St. Gallen einmal profitieren könnte. Und in Solothurn vermutet Peter Hayoz vom Migrationsamt, dass sein Kanton auch Ende Jahr noch ein paar Restkontingente für Daueraufenthalte übrig haben werde. Er stellt deshalb in Aussicht: «Wir werden Ende November die Situation noch einmal analysieren und uns dann entscheiden, ob wir - wenn wir noch übrig haben - die voraussichtlich zwei oder drei Restkontingente in die Bundesreserve zurückgeben würden.»
Bundesrat setzt Kontingente für 2017 fest
Dies aber nur freiwillig. Zur Rückgabe zwingen liessen sich die Kantone niemals, sagt der Präsident der Volkswirtschaftsdirektoren, Christoph Brutschin: «Was keinesfalls in Frage kommt: Dass Druck in irgendeiner Form auf die Kantone ausgeübt wird, die im Moment noch Kontingente haben.»
Das Jahr sei noch lange nicht vorbei, gibt Brutschin zu bedenken: Wenn ein Kanton bis jetzt nicht alle Kontingente aufgebraucht habe, heisse das noch lange nicht, dass er sie bis Ende Jahr nicht doch noch brauche. Aber wenn dem Beispiel von St. Gallen und Solothurn weitere Kantone mit Restkontingenten folgen, könnte dies das Problem wenigstens lindern – wenn auch viel zu wenig aus Sicht von Firmen oder wirtschaftsfreundlichen Politikern.
Sie warten gespannt auf den Bundesrat: Er wird als nächstes festlegen, wie hoch die Kontingente für 2017 sind.