Einen Tag nach der schweren Zugentgleisung wegen eines Erdrutsches hat die Rhätische Bahn (RhB) in Tiefencastel (GR) über die aktuelle Situation informiert. Hans Amacker, Direktor der RhB, hatte zuerst gute Nachrichten über den Gesundheitszustand der Verletzten: Am Mittag befanden sich noch neun Personen in Spitalpflege. Zwei konnten bereits entlassen werden. Derzeit seien von den vormals fünf nur noch drei schwer verletzt, zwei gälten als mittelschwer verletzt. «Keine der schwer verletzten Personen befindet sich in Lebensgefahr», sagte Amacker.
RhB-Direktor Amacker dankte den Blaulichtorganisationen, die am gestrigen Unglückstag mit professionellem Einsatz ausgezeichnete Arbeit geleistet hätten.
Sind Personen aus dem Zug geschleudert worden?
Christian Florin, Leiter Infrastruktur der RhB, konnte auch Mediengerüchte ausräumen: «Es ist niemand aus dem Zug geschleudert worden.» Die Polizei habe sehr viele Rettungskräfte aufgeboten. Für die Personensuche wurden auch Rettungshunde eingesetzt, die aber glücklicherweise niemanden gefunden haben.
Der abgestürzte Wagen konnte sehr rasch evakuiert werden. Dabei seien alle Passagiere im Wagen eins passiv geborgen worden, d.h. es konnte niemand alleine aus dem Wagen steigen; das Gelände dort sei zu steil. Ein Teil der Fahrgäste sei inzwischen wieder weitergereist, sagte Amacker. Einige hätten nach der Organisation durch die RhB in Tiefencastel übernachtet. Die momentane Herausforderung sei es, das zurückgelassene Gepäck aus dem Zug wieder den Fahrgästen übergeben zu können.
Risiko-Beurteilung bei der RhB
An der Unfallstelle bei Tiefencastel gab es bislang keine Ereignisse, die als riskant eingeschätzt werden mussten, sagte Florin. Bei einer ausserordentlichen Lage würden bei möglichen Problemen an kritischen Stellen zusätzliche Kontrollfahrten angeordnet. Wenn die Gefahr höher eingeschätzt wird, würden Beobachtungsposten eingerichtet, die die Lage vor Ort einschätzen.
Bei prekären Wetterlagen treffen überdies laufend Rückmeldungen von Lokomotivführern zum Gleiszustand bei der Zentrale ein. Im Winter würden oft Fahrten auf Sicht mit einer einzelnen Lokomotive durchgeführt. Zusätzlich können Geschwindigkeitsreduktionen festgelegt oder bei grösserer Gefahr eine Strecke gesperrt werden, sagte der Infrastruktur-Chef.
Kritischer Streckenabschnitt Thusis – Tiefencastel
Der der betroffene Streckenabschnitt zwischen Thusis und Tiefencastel stehe an verschiedenen Punkten unter verstärkter Beobachtung. Jeden Tag mache der erste Zug am Morgen auf diesem Abschnitt eine Fahrt auf Sicht, sagte Amacker.
Die Stelle des gestrigen Unfalls galt bisher nicht als gefährdet, sagte Florin. Eine halbe Stunde vorher sei ein Zug ohne eine entsprechende Beobachtung an der gleichen Stelle durchgefahren.
Laut Florin ist derzeit noch unbekannt, wie gross die Menge des niedergegangenen Materials bei der Vorbeifahrt des Zuges war. Eine solche Rutschung erfolge nicht kontinuierlich sondern meist schubweise. Bei der RhB gebe es etwa alle fünf Jahre ein Ereignis mit Schuttkegeln, die den Bahnbetrieb stören.
Bergung des abgestürzten Wagens
Der Wagen eins, der als erster an der Lokomotive angekoppelt war und rund zehn Meter tief abgestürzt ist, wiegt rund 17 Tonnen. Er soll so rasch wie möglich geborgen werden.
Dazu soll der Waggon zuerst näher ans Gleis gezogen werden, um ihn dann anzuheben. Zur Bergung setze die RhB einen eigenen Schienenkran ein, der auf dem Bahnnetz im Einsatz steht. Bis auf den abgestürzten Wagen könnten bis zum Abend alle Wagen wegtransportiert werden, sagte Florin. Die Unfallstelle sei von den Untersuchungsbehörden inzwischen freigegeben worden.
Laut RhB-Direktor Amacker wird der Bahnbetrieb im Albulatal im Moment durch Ersatzbusse sichergestellt. Davon ausgenommen sind die touristisch wichtigen Züge «Bernina-Express» und «Glacier-Express», die beide normalerweise über die betroffene Albula-Linie verkehren. Diese Züge würden vorläufig über die Vereina-Linie (Chur/Klosters – Vereina-Tunnel – Zernez) umgeleitet, damit für die Reise ins Engadin nicht umgestiegen werden müsse.