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Schweiz Die Schweiz muss warten – auf London und Brüssel

Was man längst vermutet hat, ist nun bestätigt: Vor einer Einigung mit Grossbritannien macht Brüssel keine Zugeständnisse an die Schweiz. Das sagte Bundespräsident Johann Schneider-Ammann am Freitag am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos.

Bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative beziehungsweise den Verhandlungen mit der EU muss sich die Schweiz wohl oder übel gedulden: Abmachungen oder Zugeständnisse zur Begrenzung der Zuwanderung sind für Brüssel erst dann überhaupt denkbar, wenn die EU ihr Verhältnis zu Grossbritannien geklärt hat. Das sagte Bundespräsident Johann Schneider-Ammann nach einem Treffen mit EU-Vizekommissionschef Frans Timmermans.

«Timmermans hat mir dabei klar zu verstehen gegeben, dass mit uns keine Abmachungen getroffen werden können, solange die Situation mit Grossbritannien nicht geklärt ist», sagte Schneider-Ammann gegenüber Journalisten. Denn jede Abmachung hätte präjudizierenden Charakter.

Der britische Premierminister David Cameron verlangt von der EU Zugeständnisse für den Verbleib seines Landes in der Union. Unter anderem sollen Migranten aus der EU künftig bestimmte staatliche Zuschüsse erst nach vier Jahren erhalten. Auch die angebliche Benachteiligung Grossbritanniens als Nicht-Euro-Staat will Cameron beseitigt haben.

Warten auf London und Brüssel

Laut Schneider-Ammann ist der Vizepräsident der EU-Kommission zuversichtlich, dass Brüssel bald ein grundsätzliches Einverständnis mit Grossbritannien findet. Ein Referendum über einen Verbleib des Landes könne dann schon diesen Sommer stattfinden, sagte der Bundespräsident.

Für die Schweiz hat dies weit reichende Folgen. Wegen der Masseneinwanderungsinitiative versucht der Bundesrat seit nunmehr zwei Jahren, Brüssel Zugeständnisse bei der Personenfreizügigkeit abzuringen. Bisher gaben sich die EU-Länder unnachgiebig.

Es ist der Schweizer Regierung nicht einmal gelungen, mit der Kommission offizielle Verhandlungen zu führen. Im Rahmen so genannter Konsultationen nähert man sich zwar einer Einigung an. Doch aus Sicht der EU-Kommission hätte alles, was abgemacht würde, präjudizierenden Charakter mit Bezug auf Grossbritannien, sagte Schneider-Ammann.

Zeit für den Plan B

Für den Bundesrat bedeutet dies, dass er bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative Plan B aktivieren muss. Er will dem Parlament Anfang März die entsprechende Botschaft vorlegen.

Am liebsten hätte er sich noch vorher mit der EU auf den Mechanismus einer Schutzklausel geeinigt, mit der die Schweiz die Personenfreizügigkeit unter bestimmten Umständen einschränken könnte. Dazu wird es nun nicht kommen.

Findet das Referendum über den Brexit tatsächlich schon in diesem Sommer statt, ist eine Einigung über eine Schutzklausel frühestens in der zweiten Jahreshälfte in Reichweite. Das heisst, dass der Bundesrat dem Parlament zunächst eine einseitige Schutzklausel vorlegen muss. Falls später eine Einigung zu Stande kommt, will er eine Zusatzbotschaft mit einer einvernehmlichen Schutzklausel nachreichen.

Im schlimmsten Fall kommt es gar nicht zu einer Einigung. Nach den Plänen des Bundesrats könnte die Schweiz eine Schutzklausel frühestens 2018, ein Jahr nach deren Einführung, aktivieren. Ob die EU diese einseitige Massnahme als Verletzung des Freizügigkeitsabkommens betrachtet und wie sie darauf reagieren würde, ist völlig offen.

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