In Schweizer Flüsse bewegen sich Langstreckenmeister: Aal und Lachs wandern hunderte Kilometer weit vom Meer ins Süsswasser. Sie tun dies jedoch gegengleich: Während der Lachs im Meer lebt und die Flüsse hoch ins sauestoffreiche Wasser laichen kommt, wandert der erwachsene Aal den Fluss hinab ins Meer, um sich dort fortzupflanzen.
Dieser Unterschied ist gerade für die Wanderung die Flüsse hinab markant: Der Aal ist ausgewachsen 50 bis 70 cm lang. Der in gleicher Richtung wandernde Lachs ist als Jungfisch unterwegs und misst nur 10 bis 20cm. Ein grosser Vorteil bei Hindernissen: Zwangsweise führt der Weg durch Turbinen von Kraftwerken. Fatal: Für den langen Aal bedeuten die Rechen und Turbinenschaufen oft den Tod (siehe «Kassensturz»-Beitrag).
Fischleitung bei grossen Kraftwerken schwierig
Erst 3 von den über 1000 Wasserkraftwerken in der Schweiz verfügen über eine Anlage für schonenden Fischabstieg. Diese befinden sich alle in kleinen Kraftwerken. Komplizierter ist der Fischabstieg aber bei den grossen Flusskraftwerken.
Dazu hat die ETH jetzt gemeinsam mit dem Wasserforschungsinstitut Eawag Lösungen erforscht. Initiiert wurde die Forschung vom Verband Aare-Rheinwerke, der 33 Kraftwerke umfasst,
Die Idee: Senkrechte Metallstäbe im Fluss sollen die Fische am Kraftwerk vorbei lenken. Dieser so genannte Leitrechen lässt das Wasser durch, bringt die Fische aber dazu, dem Rechen entlang in einen «Bypass» zu schwimmen, einen Weg um das Kraftwerk herum. Das Forschungsteam hat diesen sogenannten Louver-Rechen mit verschiedenen Fischarten getestet und berichtet in einem Film darüber:
Schall, Blitz und Strom leiten die Fische
Fische lassen sich mit einem breiten Spektrum von technischen Möglichkeiten auf andere Wege als durch die Turbine leitet, wie Schweizer Forscher in einer Studie zum schonenden Fischabstieg beschreiben:
Fisch-Leit-Massnahmen
- Mit mechanischen Barrieren (Rechen, Siebe,) werden die Fische vom Weg in die Turbine festgehalten. Das Problem: die Tiere kommen mit den Barrieren in Kontakt und verletzen sich oft. Zudem kann ein Gitter z.B. grössere Lachse abweisen, die schmaleren Aale bleiben aber stecken und werden verletzt.
- Die Tiere sollen teilweise mit Stroboskop-Licht, Luftblasen- oder Wasserstrahl-Vorhängen, Stromschlägen oder auch Unterwasser-Lärm von der Ansaugstelle der Turbine ferngehalten.
- Im Extremfall werden in den USA sogar die Fische mit Netzen aus den Seen gefischt, in grossen Tanks gesamelt und mit Lastwagen, Zug oder auch sogar Schiffstransporten Richtgung Meer gefahren.
Fisch-Abstiegs-Systeme: Damit soll den Fischen der Weg durch die Turbine erspart werden: (Einfangen oberhalb, vorbeiführen auf alternativem Weg, einsetzen unterhalb der Turbine).
Kraftwerks-Konzerne unterstützen die Forschung
Roger Pfammatter begrüsst als Geschäftsführer des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes (SWV) diese Forschungen:
SRF: Rechnen Sie mit einem Einsatz der Leitrechen?
Roger Pfammatter: Die bisher auf Laborstufe erhaltenen Ergebnisse sollen in einem Nachfolgeprojekt verifiziert und in die Realität übertragen werden. Dazu soll an den zwei repräsentativen Flusskraftwerken, Bannwil und Wildegg-Brugg, je ein Vorprojekt erarbeitet werden. Dies soll Klarheit über die Machbarkeit und die Kosten von Leitrechen bringen. Zusätzlich werden weitere Abwanderkorridore für die Fische untersucht. Unter Umständen finden sich so weitere Lösungsmöglichkeiten, die besser und kostengünstiger sind als die Leitrechen. Darum kann im Moment keine Prognose für einen Einsatz von Leitrechen gemacht werden. Startschuss für dieses Projekt ist in diesen Tagen.
SRF: Wann werden die Rechen eingebaut?
Pfammatter: Gemäss aktueller Planung dürften erste Ergebnisse der beiden Vorprojekte bis ca. Ende 2018 vorliegen. Allgemeingültige Wunderlösungen sind auch bis dann nicht zu erwarten, aber konkrete Hinweise darauf, was mit welchem Aufwand zu erreichen wäre. Anschliessend folgt dann vielleicht die gesellschaftliche Diskussion, wieviel Massnahme uns wieviel wert ist.
SRF: Mit welchen Kosten rechnen Sie für ein Bau eines Leitrechens?
Pfammatter: . Erste grobe Abschätzungen an einem konkreten Beispiel lassen vermuten, dass für ein typisches Flusskraftwerk an Aare oder Hochrhein Kosten von rund 80 - 100 Millionen Franken anfallen würden (inkl. Rechen-Reinigungsmaschinen für Entfernung Geschwemmsel, etc.). Diese Kostenschätzungen sind mit ein wesentlicher Grund dafür, dass im Rahmen des Nachfolgeprojektes unvoreingenommen auch alternative und ggf. kostengünstigere, evtl. betriebliche Massnahmen geprüft werden sollen.