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Schweiz Diskussion um Brustkrebs-Vorsorge wird hitziger

Ein neuer Bericht des Fachgremiums «Swiss Medical Board» rät von präventiven Reihenuntersuchungen gegen Brustkrebs ab. Doch Experten warnen nun vor den negativen Folgen dieser Empfehlung. Es bestehe die Gefahr, dass die Qualität der Brustkrebsvorsorge schlechter werde.

Die Reaktionen auf den Bericht des «Swiss Medical Boards» sind teilweise heftig. Zum Beispiel von Nationalrat und Präventivmediziner Felix Gutzwiller: «Der Bericht steht allen nationalen und internationalen Krebsgremien entgegen.»

Und auch Chris de Wolf, der medizinische Leiter des Berner Programms zur Früherkennung von Brustkrebs, ist erstaunt. Dieser Bericht entspricht nicht internationalen Standards.

Mammograph mit eingespannter Brust.
Legende: Routine, die zu viel kostet, sagen die einen. Routine, die zu hoher Qualität führt, sagen die andern. Reuters

Von 1000 vier statt fünf Todesfälle

Der Bericht untersucht die Frage, ob Frauen zwischen 50 und 70 regelmässig ihre Brüste röntgen lassen sollen, um Krebs zu erkennen. Darüber gibt es seit langem eine Kontroverse unter Fachleuten. Einigkeit herrscht einzig bei den grundlegenden Zahlen: Wenn 1000 Frauen über 50 alle zwei Jahre ihre Brüste röntgen lassen, dann verhindert dieses Screening einen Todesfall: Das heisst: Es sterben von diesen 1000 Frauen 4 an Brustkrebs statt 5.

Das Problem dabei: Der Preis für diese eine gerettete Frau ist hoch. Denn bei den getesteten 1000 Frauen findet das Screening bei 200 etwas, was wie Krebs aussieht. Diese 200 Frauen werden beunruhigt, sie müssen weitere Diagnosen und gar Behandlungen über sich ergehen lassen.

Und da beginnt die Kontroverse: Rechtfertigt das eine gerettete Leben so viele Nebenwirkungen? Der Bericht des «Swiss Medical Board» kommt nun zum Schluss: Nein. Urs Metzger, Chirurg und Mitglied des Gremiums sagt: «Das flächendeckende Brustkrebs-Screening ist eine Untersuchung ohne Beratung.»

Aber gerade diese Beratung sei umso wichtiger, weil der Nutzen des Screenings so klein sei. Jede Frau müsse Vor- und Nachteile abwägen können. Diese Beratung sollen die Frauen nach Ansicht von Urs Metzger bei ihrem Frauenarzt bekommen.

Der weitere Aufbau von Screening-Programmen in den Kantonen soll hingegen gestoppt werden. Und jene Kantone, die schon eines haben, sollen es neu befristen und genau evaluieren, rät das «Swiss Medical Board».

Bessere Standards bei Flächentests

Das sei paradox, warnt Präventivmediziner Gutzwiller – denn dadurch würden sich wieder mehr Frauen beim eigenen Gynäkologen röntgen lassen – und dort sei die Qualität der Brustkrebsfrüherkennung schlechter. Der Bericht sei darum unlogisch, sagt Gutzwiller gegenüber SRF.

Die Qualität bei flächendeckenden Screening-Programmen ist besser, weil die Ärzte dort definierte Standards erfüllen müssen. Allerdings gab es in diesem Punkt auch schon Kritik an den kantonalen Programmen, weil sie bisher hinter den strengeren europäischen Standards hinterherhinken. Das werde sich aber ändern, sagt Chris de Wolf vom Berner Screeningprogramm. So werden neu alle beteiligten Röntgen-Ärzte eine Mindestanzahl von Brustaufnahmen begutachten müssen, damit sie die nötige Routine haben.

Frau muss entscheiden

Auch die vom Bericht des «Swiss Medical Board» angemahnte Evaluation der Screening-Programme ist in Vorbereitung, sagt Chris de Wolf.

Eine erste Überprüfung im Jahr 2010 attestierte eine zufriedenstellende Qualität - allerdings waren die Unterschiede zwischen den Kantonen beträchtlich. Dazu kommt, dass das Brustkrebs-Screening damals erst in der Romandie und in St.

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Gallen existierte. Für eine umfassende Analyse gab es damit zu wenige Daten von Teilnehmerinnen. Das hat sich inzwischen geändert und so profitiert die nächste Evaluation von einer besseren Datenlage.

Aber letztlich wird jede Frau auch dannzumal selbst entscheiden müssen, ob sie zur Brustkrebsvorsorge will oder nicht.

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