Thomas Widmer ist Autor einer Wanderkolumne im «Tages-Anzeiger». Er stört sich nicht daran, was auf dem Jungfraujoch passiert. Dass ein Laden zu den bereits bestehenden Boutiquen hinzukomme, sei in dem Fall nicht entscheidend. «Da dort oben ja schon alles kommerzialisiert ist», begründet er seine Haltung.
Neuen Infrastrukturen in unberührten Gebieten steht Widmer allerdings kritisch gegenüber. «Es ist auffällig, wie in den letzten Jahren eine Art Wettrennen eingesetzt hat.» Als Beispiele für solche Projekte nennt er das Drehrestaurant im Hohen Kasten im Appenzellerland und die neue Cabriobahn auf das Stanserhorn.
Destinationen im internationalen Wettbewerb
«Es gibt Orte, die im grossen Stil investieren, so dass einem fast schwindlig wird», erklärt der Autor. Jüngst habe Vals im Bündnerland bekanntgegeben, dass man für eine bisher unbekannte Summe das ganze Dorf umkrempeln wolle. Ein Luxushotel und zwei künstliche Seen sollen Vals ein edleres Image verleihen.
Dass im Tourismus um Gäste gebuhlt wird und dazu auch grosse Summen in die Hand genommen werden, sei nicht a priori schlecht. Es berge aber Gefahren, so Widmer. Er erinnert an Leukerbad: Ein grosser Walliser Tourismusort mit einer langen Geschichte, der in den 90er Jahren zeitweise 350 Millionen Franken Schulden hatte.
Kommerz ist dort sinnvoll, wo es ihn schon gibt
Erstmals ging eine Gemeinde pleite und wurde zwangsverwaltet. «Das setzte dem Ort brutal zu», bilanziert er. Leukerbad habe sich «überlupft» und sei in ein Loch gefallen.
Die Kommerzialisierung von Bergdörfern sei nur dort sinnvoll, wo es sie schon gebe, ist der Kolumnist überzeugt. «Es gibt Orte in der Schweiz, die haben eine lange, kommerzielle Tradition.» Etwa das Berner Oberland mit dem Jungfraujoch und Interlaken, oder Orte im Bündnerland wie St. Moritz und Davos.
Zwischenlösungen zwischen Totenstille und Rummel
«Da ist der der Luxustourismus quasi erfunden worden», sagt Widmer. Dort störe es auch nicht, wenn noch mehr dazukomme. «An anderen Orten kann man sich fragen, ist es sinnvoll, dass zum Beispiel Vals, das historisch keine Tradition des Luxustourismus hat, jetzt völlig die Identität wechselt und auf einen anderen, schnelleren Zug aufsteigt.»
Seiner Meinung sollte es bei solchen Projekten nicht um alles oder nichts gehen: «Es gibt jede Menge Zwischenlösungen zwischen Totenstille und brutalem Rummel.»