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Schweiz Düstere Aussichten für die Tessiner Banken

Private Banking für italienische Kunden? Das war einmal. Den Finanzplatz Tessin treffen Abgeltungssteuer und Weissgeldstrategie gleich doppelt. Die Zukunft bietet dem Bankensektor nur wenige Alternativen.

Finanzplatz Tessin. Hier die Piazza Riforma in Lugano.
Legende: Muss sich neu orientieren: Finanzplatz Tessin. Hier die Piazza Riforma in Lugano. Keystone

Der Finanzplatz Schweiz ist im Wandel. Das Bankgeheimnis und die Verwaltung von Schwarzgeldern in der Schweiz werden sich verändern. Das betrifft besonders den Finanzplatz Tessin. Hier herrscht eine Monokultur des Private Banking und das erst noch vor allem mit Kunden aus Italien – ein doppeltes Klumpenrisiko.  

Weiterer Arbeitsplatzverlust droht

Giovanna Masoni sitzt für die FDP in der Regierung der Stadt Lugano. Sie hat an der Uni Lugano fünf Krisengipfel einberufen: Vorträge und Diskussionen über die Zukunft des Finanzplatzes Tessin.

Masoni sagt: 2005 hat der Bankensektor in der Stadt Lugano 55 Millionen Franken Steuern bezahlt. Heute sind es zwölf. Von den früher 8000 Arbeitsplätzen am Finanzplatz sind 1000 verschwunden. Und nochmals 1000 bis 2000 sind in Gefahr.

Löwenanteil gehört Italienern

Alberto di Stefano ist Mitglied der Generaldirektion bei der Cornèr Bank. Er hat eine Studie über die Zukunft des Finanzplatzes Tessin veröffentlicht. Er nennt Zahlen und bricht so das Gesetz der Diskretion der Branche.

«Banken im Tessin verwalten heute 200 Milliarden Franken. 140 Milliarden gehören Kunden in Italien», sagt er. Wenn Italien dank einer Abgeltungssteuer 20 Prozent davon erhält, dann fliessen vom Finanzplatz Tessin sofort 30 Milliarden, um Steuern zu zahlen. Dazu rechnet di Stefano jenes Kapital, das aus der Schweiz abgezogen werde. 

Die Abgeltungssteuer, schätzt di Stefano, entspreche der Schliessung der Banca della Svizzera Italiana BSI. Einer mittelgrossen Bank mit 2000 Mitarbeitern.

Die Abgeltungssteuer betrifft die alten, im Ausland nicht deklarierten Vermögen bei Schweizer Banken. Dazu kommt die Weissgeldstrategie des Bundesrates. Sie soll die Annahme von frischem Schwarzgeld verhindern. Die im Tessin verbreiteten kleinen Banken fürchten den damit wachsenden administrativen Aufwand. Alternativen zum Private Banking gibt es für sie kaum.

Wenige Alternativen

Ein Beispiel sei die BSI, die ins Asien- und Lateinamerikageschäft eingestiegen sei, sagt Cornèr-Bank-Direktor di Stefano. Cornèr habe eine Handelsplattform entwickelt. Andere seien im Rohstoffhandel eingestiegen. Oder in die Finanzierung von Stahlexporten. Im Vergleich zum Reichtum, der beim Private Banking entstehe, sei das aber vernachlässigbar. «Der Aufbau von Alternativen braucht Know-how und viel, viel Geld», sagt di Stefano.

Sandro Prosperi ist Partner bei Deloitte, einer der vier grössten Beratungsfirmen weltweit. Sie fasst die Entwicklungen des Finanzplatzes zusammen: In den letzten Jahren habe sich im Tessin vor allem das Private Banking für italienische Kunden entwickelt. «Angesichts des wachsenden Steuerdrucks ist das ein Kumpenrisiko.»

Leider habe der Finanzplatz im Vergleich zu anderen den Anschluss verloren. Es müsse viel Geld investiert werden, um Alternativen aufzubauen.

Wie weiter?

Er sei ein Optimist, sagt Sandro Prosperi über sich. Aber der Spielraum für den Finanzplatz Tessin sei eng geworden. Was tun? Giovanna Masoni von der Stadtregierung Lugano ist Realpolitikerin. Eine Gemeinde könne nur gute Rahmenbedingungen bieten, sagt Masoni. Tiefe Steuern. Ein Krisenpaket, mit dem die Weiterbildung von Bankangestellten unterstützt wird.

Bankhäuser wollen vor einer Ansiedlung wissen, welche Gesetze für sie und ihre Produkte gelten. Jetzt und in Zukunft. Aber diese grossen Fragen, sagt Masoni,  werden nicht in Lugano entschieden.

(prus;krua)

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