Seit einem Jahr schützt die Schweiz Zeuginnen und Zeugen, damit Verbrechen leichter aufgedeckt werden können. Die Verantwortung liegt bei der Nationalen Zeugenschutzstelle des Bundesamts für Polizei, FedPol. Doch nicht über jeden hält die Behörde ihre schützende Hand. Sie tut es nur auf Antrag der Strafverfolgung und auch nur, wenn die entsprechende Person gewisse Kriterien erfüllt.
Beratung macht ein Drittel aus
So habe man zunächst die Eignung der Person für das Zeugenschutzprogramm zu prüfen, erklärt Andreas Leuzinger. Er leitet die nationale Zeugenschutzstelle beim Bundesamt für Polizei Fedpol.
«Noch wichtiger als die persönliche Eignung ist aber, ob die Aussage tatsächlich von entscheidender Bedeutung ist, um das Verfahren zum Abschluss zu bringen», so Leuzinger. Aufgrund der strengen Kriterien gibt es bis jetzt nur wenige Fälle. Das FedPol spricht von zehn bis fünfzehn pro Jahr.
«Ein Drittel der Arbeit der Zeugenschutzstelle macht die Beratung aus», sagt Leuzinger. Das beginne bei einfachen Tipps. Wie verhalte ich mich im Ausgang? Wie benutze ich die sozialen Medien? Solche Fragen würden dann gemeinsam mit den entsprechenden Personen abgearbeitet.
Bewertung der Arbeit erst in Jahren möglich
Wer im Zeugenschutzprogramm aufgenommen wird, durchläuft drei Phasen. In der Krisenphase wird der Zeuge geschützt und in einem anderen Umfeld platziert. Darauf folgt die Stabilisierungsphase. Hier sind erste Aussagen möglich, um das Verbrechen aufzuklären. Als Letztes folgt die Integrationsphase in das Leben danach.
«In unserem ersten Jahr haben wir Personen erlebt, die die ersten beiden Phasen durchlaufen haben», so Andreas Leuzinger. Um über die Integrationsphase zu sprechen, sei es aber noch viel zu früh, sagt der Chef der Zeugenschutzstelle. Denn in der letzten Phase zieht sich der Zeugenschutz zurück. Das sei aber erst nach rund fünf bis sechs Jahren der Fall, so Leuzinger.
Opfer sollten überall gleich gut geschützt werden
Dieses Programm sei wichtig, heisst es bei der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration FIZ in Zürich. Beschränkt auf Kronzeugen biete es aber nur wenig Schutz, sagt Susanne Seytter von der FIZ:
«Was es eigentlich braucht, ist ein nationales Opferschutzprogramm, sodass alle Opfer den gleichen Schutz erfahren – unabhängig davon, in welchem Kanton sie Opfer werden.» Hierin sieht Seytter die eigentliche Herausforderung.
«Alle Fälle bisher erwartungsgemäss verlaufen»
Für FedPol-Vize Adrian Lobsiger liegt die Herausforderung des kommenden Jahres darin, die Zeugen im Programm nicht nur zu schützen, sondern zu verhindern, dass sie wieder aussteigen.
Denn wichtig sei schliesslich, dass die Personen am Tag X, an dem sie ihre entscheidende Zeugenaussage machen müssen, ihren Mann oder ihre Frau stünden, so Lobsiger.
Das erste Jahr war gewissermassen eine Nagelprobe für die Zeugenschutzstelle. Bisher seien aber alle Fälle den Erwartungen entsprechend verlaufen, sagt der Vize-Direktor. Dem Ziel, die schwere Kriminalität zu bekämpfen und dem Staat die Wahrheitsfindung zu ermöglichen, sei man damit näher gekommen.