SRF: Thierry Lalive d'Epinay , sind sie überrascht über die Vorkommnisse in Mainz?
Thierry Lalive d'Epinay: Ja, es überrascht mich, weil die Deutsche Bahn (DB) auch eine qualitativ hochstehende Bahn ist. Ich kann mir aber eine solche Situation in der Schweiz überhaupt nicht vorstellen. Das ist wirklich ein Gau.
Und weshalb nicht?
Ich denke, man hat in der Schweiz natürlich schon versucht, die Kosten in den Griff zu kriegen. Aber man geht sicher nicht soweit, dass die vitalen Funktionen gefährdet wären. Und dann würde ich sagen, in der Schweiz würden die Leute teils auch krank und mit Fieber arbeiten, weil sie sich so mit der Qualität der Bahn identifizieren, dass sie den übrigen Mitarbeitenden helfen würden, die Situation zu lösen.
Sie würden also sagen, dass zwischen DB und SBB ein Mentalitätsunterschied herrscht?
Ich denke, es besteht zu einem gewissen Grad ein Unterschied, da wir in der Schweiz durch einen langen Frieden und gegenseitiges Verständnis ein gutes Verhältnis zwischen den Arbeitnehmer-Vertretern und dem Unternehmen haben.
Natürlich gibt es Spannungen. Aber ich denke, da ist Deutschland etwas mehr radikalisiert.
Trotzdem: Die DB muss massiv sparen wie auch die SBB. Wird die Zuverlässigkeit unter dem Spardruck leiden?
In der Schweiz kann ich mir das nicht vorstellen. Das ist die Marke der SBB. Und deshalb gehen so viele mit der Bahn. Verspätungen durch einen Sturm oder einen Personenunfall sind nicht vermeidbar. Aber die Firma weiss, dass sehr viel davon abhängt, dass die hohe Qualität bestehen bleibt. Wenn diese nicht mehr besteht, wandern die Leute ab.
Das Gespräch führte Iwan Santoro.