Die wilde Linth war der Bevölkerung in den Kantonen Glarus, Schwyz und St. Gallen schon im späten 18. Jahrhundert ein Dorn im Auge. Hochwasser und ständige Überflutung bedrohten das Leben der Menschen. Der ungeregelte Lauf des Flusses erschwerte auch die Schifffahrt nach Zürich und behinderte den Handel über die Alpenpässe.
Retter in der Not wurde anno dazumal die einflussreiche Zürcher Persönlichkeit Hans Konrad Escher. Er machte sich daran, die katastrophalen Verhältnisse zu verbessern. Seine Idee: Die Linth in den Walensee umleiten. Der See sollte als Geschiebesammler und Ausgleichsbecken dienen. Die Bauarbeiten an diesem neuen so genannten «Escherkanal» dauerten von 1807 bis 1811.
Bis heute fliesst der Escherkanal von Mollis (GL) in den Walensee und von dort als Linthkanal auf kürzestem Weg in den Zürichsee. Im Verlauf der Zeit gab es jedoch neue Schwierigkeiten: Die altersschwachen Dämme liessen das Wasser immer wieder ansteigen und über die Ufer treten. So kam es in den Jahren 1910, 1953, 1999 und 2005 zu Hochwasser und Überschwemmungen.
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Bild 1 von 6. Im Jahr 1953 versuchten die Menschen, die Wasserfluten mit Sandsäcken im Zaum zu halten. Bildquelle: Linthverwaltung.
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Bild 2 von 6. Tagelange Regenfälle hatten im September 1953 die Linth anschwellen lassen. Bildquelle: Linthverwaltung.
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Bild 3 von 6. Im Mai 1999 lassen mehrere Naturgewalten die Dämme brechen: erst die Lawinen im Glarnerland, dann das Schmelzwasser des Schnees und letztlich Dauerregen. Die Wasserpegel steigen und steigen. Bildquelle: Linthverwaltung.
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Bild 4 von 6. Am Pfingstsamstag 1999 erreicht der Linthpegel ein neues Rekordniveau. Es herrscht akute Dammbruchgefahr. Alle Helfer müssen fliehen. Das Aufatmen folgt nach dem Wochenende: Die Dämme haben gehalten. Bildquelle: Linthverwaltung.
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Bild 5 von 6. Im August 2005 sind die Anwohner wieder in Panik: Im Escherkanal steigt das Wasser um über drei Meter. Die Feuerwehr entdeckt bei Benken (SG) Risse im Damm. Evakuationen werden angeordnet. Bildquelle: Linthverwaltung.
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Bild 6 von 6. Über längere Abschnitte des Linthkanals wird Katastrophenwasseralarm ausgerufen – vor allem wegen des kritischen Dammzustands. Die Situation bleibt nur dank dem Einsatz von Sandsäcken unter Kontrolle. Bildquelle: Linthverwaltung.
Dass etwas geschehen muss, war der Linthkommission – bestehend aus Vertretern der Kantone Glarus, Schwyz, St. Gallen und Zürich – schon vor dem Hochwasser 1999 klar: 1998 gab die Kommission eine Studie für einen neuen Hochwasserschutz in Auftrag. Die Dämme wurden geprüft, das künftig zu erwartende Wasseraufkommen in den Kanälen hochgerechnet, die Fauna und Flora analysiert und das Verhalten des Wassers innerhalb der Flussrinnen und die möglichen Überflutungen per Computer simuliert.
Mehr natürliche Umgebung
Bis die Baumassnahmen umgesetzt werden konnten, sollte es aber noch einmal rund zehn Jahre dauern. Nicht alle waren nämlich mit dem Projekt einverstanden, wie Linth-Ingenieur Markus Jud zu SRF News Online sagt: «Die Bauern wollten das Land nicht hergeben. Und die Umweltverbände wollten mehr Ökologie.»
Letztlich wurden die Streitereien teils gar vor Bundesgericht ausgefochten. Im September 2008 erfolgte in Mollis der Spatenstich – am gleichen Ort, an dem Hans Konrad Escher schon 1807 mit dem Bau des Escherkanals begonnen hatte. Das Projekt Linthwerk ging in die finale Phase. Die altersschwachen Dämme wurden verstärkt und verbreitert. Flussausweitungen und Uferrenaturierungen führten zurück zu einer ursprünglicheren Linth. Es entstanden natürliche Gewässer, Riedflächen, Blumenwiesen und Waldreservate.
Auch für die Besucher wurde die Region attraktiver gemacht: Es entstanden laut Markus Jud Beschilderungen und Aussichtsplattformen. Naturfans können in der Linthebene spazieren, joggen, inline skaten oder Velo fahren.
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Bild 1 von 4. Luftbild der Flussaufweitung Hänggelgiessen zwischen Benken (SG) und Schänis vor Beginn der Bauarbeiten im Jahr 2008. Bildquelle: Linthwerk/Markus Jud.
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Bild 2 von 4. Luftaufnahme des Bereichs Hänggelgiessen nach Beginn der Bauarbeiten im April 2011. Bildquelle: Linthwerk/Markus Jud.
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Bild 3 von 4. Im Mai 2012 nimmt die Renaturierung beim Hänggelgiessen Form an – das erste Wasser tritt aus dem Kanal in ein natürliches Flussbett. Bildquelle: Linthwerk/Markus Jud.
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Bild 4 von 4. Im Herbst 2012 sind die Bauarbeiten beim Hänggelgiessen beinahe abgeschlossen. Bildquelle: Linthwerk/Markus Jud.
Mehr als 120 Millionen Franken hat das Projekt gekostet. Etwas mehr als ein Drittel davon zahlt der Bund. Der Rest wird unter den Trägerkantonen St. Gallen, Glarus, Schwyz und Zürich aufgeteilt. Für das Linthwerk wurden 70 Hektaren Land und Wald erworben, 160'000 Tonnen Blocksteine verbaut und 1,5 Millionen Kubikmeter Erde bewegt.
Obwohl die Baumassnahmen abgeschlossen sind – fertig ist das Linthwerk nicht. Es benötigt ständig Überwachung und Unterhalt. Die Natur braucht zudem einige Jahre, bis sie sich den neuen Gegebenheiten angepasst hat.
Am Samstag wurde die Landschaft direkt am Fluss bei Benken (SG) offiziell der Bevölkerung übergeben. In einer Festansprache würdigte Bundesrätin Doris Leuthard das Projekt aus Sicht des Bundes. Auch der Präsident der Linthkommission, der St. Galler Regierungsrat Willi Haag, hielt eine Rede. Zudem waren zahlreiche Behördenmitglieder aus den betroffenen Kantonen vor Ort.