Schweiz - «Ein Staatsbesuch ist wie ein Penaltyschuss»
Der französische Präsident François Hollande ist in der Schweiz auf Staatsbesuch. Damit ein solcher Anlass reibungslos über die Bühne geht, müssen im Hintergrund zahlreiche Aufgaben erledigt werden. Welche, weiss Willy Hold. Er hat selbst Staatsbesuche organisiert.
SRF: Sie waren bis zu Ihrer Pensionierung im Januar 2008 Protokollchef beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Wie viele Staatsbesuche haben Sie organisiert?
Willy Hold: Ich habe in den vier Jahren meiner Zeit als Protokollchef vier bis fünf Staatsbesuche für das EDA organisieren dürfen.
Wie sieht so ein Staatsbesuch in der Schweiz in der Regel aus?
Der zeremonielle Teil ist immer gleich. Es ist auch eine Frage der Gleichbehandlung aller Gäste. Zum Zeremoniell gehören die militärischen Ehren und die anschliessenden Reden des Bundespräsidenten und des Gastes. Später läuft das so genannte «Damenprogramm». Das wird organisiert für die Ehepartner der Staatsgäste, während diese diplomatische Gespräche führen. Es kommen manchmal Ehefrauen oder Ehemänner mit auf Besuch. Von daher ist der Name inzwischen überholt. Am Abend gibt es ein grosses Dinner mit rund 80 Personen.
Zur Person
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Willy Hold war von 2004 bis 2008 Protokollchef im EDA. Davor war es als Schweizer Botschafter in Irland und Lettland. Seit 2008 ist Hold pensioniert. Er wünschte sich das Amt des Protokollchefs als sein letztes vor der Pensionierung, weil er sich in seiner Heimat wieder akklimatisieren wollte.
Und am nächsten Tag?
Am zweiten Tag findet ein Programm statt, das individuell auf den Gast zugeschnitten ist. Man muss vorab herausfinden, was er gerne macht und was er erleben möchte.
Was wir letztlich im Fernsehen oder im Internet sehen, ist der Staatsbesuch selbst. Als Protokollchef müssen Sie mit Ihrem Team ja schon vorab viel organisieren. Was steckt dahinter?
Wenn man die Zeit für Schlafen oder Reisen abzählt, bleiben für so einen Besuch noch ungefähr 20 Stunden, die man füllen kann. Dafür arbeiten viele Leute monatelang. Wenn das grobe Programm steht, kommt eine Delegation des Gastlandes in die Schweiz und man spielt das Programm einmal durch. Man schaut, ob die Programmpunkte so passen und richtet das Augenmerk besonders auf die Sicherheit. Man geht von A nach B nach C und überprüft den Parcours auf allfällige Sicherheitsrisiken. So eine Organsiation ist wie ein Penaltyschuss: Man hat nur eine Chance. Wenn etwas schief läuft, kann man das kaum wiedergutmachen.
Gab es während Ihrer Zeit als Protokollchef einen Staatsbesuch, an den Sie sich besonders gut erinnern können?
Besonders gerne denke ich zurück an den Besuch des norwegischen Königspaars im Jahr 2006. Dies waren sehr nette Leute. Wir sind zuerst mit dem Helikopter ins Appenzellische geflogen und haben dann in St. Gallen die Stiftsbibliothek besucht. Wir sind mit Filzpantoffeln über den altehrwürdigen Parkettboden geschlurft. Das war natürlich ein tolles Sujet für die Fotografen: Ein König und ein Bundespräsident in Filzpantoffeln! Ein kleines Mädchen hat der Königin zudem beim Empfang einen Blumenstrauss überreicht – und als Dankeschön ein Foto des Königspaars erhalten. Das Mädchen war aber todtraurig – weil die Königin keine Krone trug. Es bekam dann ein neues Foto mit Krone.
Das grosse Staatsdinner am ersten Abend ist eine wichtige Sache. Wer nimmt an diesem Dinner teil und worauf muss der Protokollchef achten?
Der Protokollchef
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Der Posten des Protokollchefs beim EDA wird immer von Diplomaten besetzt. Meist sind es Botschafter, die aus dem Ausland kommen und anschliessend wieder ins Ausland gehen. Ihre Hauptaufgabe ist die Organisation von diplomatischen Anlässen. Sie betreuen aber auch die ausländischen Diplomaten, verteilen Autonummern oder Diplomatenausweise.
Aus der Schweiz nehmen die Bundesräte, ranghohe Parlamentarier und Chefbeamte, eventuell Bundesrichter oder Persönlichkeiten, die einen besonderen Bezug zum Land des Gastes haben, teil. Die Gäste dürfen mitbringen, wen sie möchten. Sie erhalten vorab die Information, wie viele Plätze sie zur Verfügung haben. In der Mitte der langen Tafel sitzt der Bundespräsident – neben ihm die Ehefrau oder der Ehemann des Staatsgasts. Dieser sitzt dem Bundespräsidenten vis à vis – an seiner Rechten die Ehefrau oder der Ehemann des Bundespräsidenten oder der -präsidentin. Auch sonst ist die Tischordnung genau festgelegt.
Was ist in Bezug auf das Essen zu beachten?
Das Menü wird vorab mit dem Gast abgesprochen. Es soll jedoch nichts Kompliziertes sein. Niemand soll sich beim Essen blamieren, weil er beispielsweise nicht weiss, wie man mit Fischgräten umgeht. Das Essen soll auch nicht zu speziell sein. Oft gibt es Lamm, Rind, Poulet oder Rebhuhn. Auch Schwein oder Rind ist möglich, wenn es der Gast mag und gerne isst. Und manchmal äussert auch der Bundespräsident einen Menüwunsch. Von François Hollande heisst es, er sei den Vergnügen des Tisches nicht abgeneigt. Ich hoffe, die Schweiz wird den französischen Gästen also auch zeigen, wie viele gute Weine unser Land zu bieten hat.
Was waren die grössten Zwischenfälle oder Probleme, die Sie während Ihrer Zeit als Protokollchef erlebt haben?
Während meiner Zeit hat es keine grösseren Zwischenfälle gegeben. Der grösste Alptraum eines Protokollchefs ereignete sich wohl 1999 beim Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten. Damals sassen rund um den Bundesplatz Tibeter auf den Dächern der Häuser und protestieren, was den Staatschef beleidigte. Der Besuch hat gezeigt, dass es problematisch ist, ein Land einzuladen, das eine ganz andere Vorstellung hat von Menschenrechten. Der Hauptzweck eines solchen Besuchs ist ja, die Beziehungen zu dem Land zu verbessern oder Probleme zu lösen.
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