Ein nüchterner weisser Raum in einem Bürogebäude in Baden, am Boden Spannteppich, in der Mitte zwei Stühle. Bernadette Bühler führt ein Beratungsgespräch. Der 61-jährige Mann, der gerade bei ihr sitzt, ist schon länger in der Beratung. Wegen einer Scheidung verlor er viel Geld, er hat Schulden.
Nun sucht er erneut Rat. Der Betrieb, in dem er als Ausbildner arbeitet, wird umstrukturiert. Das Unternehmen, das in der Exportwirtschaft tätig ist, muss sparen. Überall werde versucht zu optimieren, schildert der Mann. «Dabei wird auch am Personal gespart. Das spürt man – es ist ein sanfter Druck, der sich langsam bemerkbar macht.»
In seinem Unternehmen wurden bereits Leute entlassen. Der 61-Jährige weiss nicht, ob er bleiben kann. In seinem Alter wäre es schwierig, etwas Neues zu finden. «Das ist unangenehm. Jeder fühlt sich doch gern aufgehoben und sicher in seinem Job», sagt er.
Quälende Fragen
So wie ihm geht es vielen anderen auch. Sie sind verunsichert, was die berufliche Zukunft bringt. Mit quälenden Fragen kommen sie zu Bernadette Bühler. «Kann ich mich halten? Wird es mich auch noch treffen? Ist meine Abteilung besonders gefährdet?», gibt die Beraterin die Sorgen ihrer Klienten wieder.
Manchmal höre sie dann einfach nur zu, manchmal sei sie die Macherin, ein anderes Mal die Trösterin. «Und dann zeige ich natürlich auch Perspektiven auf. Wie kann es weitergehen? Welche Möglichkeiten gibt es noch? Wir überlegen dann zusammen, was möglich ist», so Bühler über ihre Arbeit.
Solche Beratungsgespräche sind gefragt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von über 100 Unternehmen in der Schweiz können mitmachen, rund 50'000 Personen sind bei Proitera angeschlossen.
Frankenschock, Eurokrise, wirtschaftlicher Druck: Das geht nicht spurlos an den Mitarbeitern vorbei, und das merken auch die Führungskräfte. In den vergangenen Tagen haben sich auffallend viele Unternehmen bei der Proitera-Geschäftsleiterin Katja Müggler gemeldet. «Oftmals weiss ja auch das Management nicht genau, was die nächsten Schritte sind. Dann ist es natürlich auch schwierig zu kommunizieren, wie sich das Unternehmen in Zukunft entwickeln wird», sagt Müggler. «Und das führt natürlich zu Verunsicherung bei den Angestellten.»
In Baden ist das Beratungs-Gespräch zu Ende. Eine Stunde dauerte es. Der hilfesuchende Mann dankt, er verabschiedet sich. «Es tut sehr gut zu hören, dass man nicht der Einzige ist, der Probleme hat und dass diese Probleme häufig sehr ähnlich aussehen», sagt er am Schluss. Zudem spüre er eine gewisse Erleichterung, «etwas mehr Ruhe und Ordnung». Die berufliche Situation bleibt unsicher, doch die Gedanken sind geordnet.