«Der Kanton Genf hat versagt»: Das sagte der Genfer Regierungspräsident Charles Beer gestern vor den Medien. Und er entschuldigte sich öffentlich bei der Familie der Sozialtherapeutin, die vor einem Monat mutmasslich von einem Häftling auf einem begleiteten Freigang getötet wurde.
Diese klare und vorbehaltlose Entschuldigung kam in der Westschweiz gut an. «Sie wurde als ausserordentlich wahrgenommen», sagte Sascha Buchbinder, Westschweiz-Korrespondent vom SRF. Doch mit so einer Aussage macht sich eine Regierung auch angreifbar. «Eine Entschuldigung ist ein Schuldeingeständnis», so Buchbinder. Wenig verwunderlich drohen nun Strafverfahren – allen voran gegen die Direktorin der betroffenen Anstalt.
Dennoch: Rücktrittsforderungen gegenüber Politikern wurden keine laut. Der Grund liegt auf der Hand. Der Genfer Sicherheitsdirektor, welcher die Gefängnisse unter sich hat, ist erst seit einem Jahr im Amt. Und der Gesundheitsdirektor, welcher für die Therapieabteilung zuständig ist, tritt altershalber zurück.
Zahlreiche Änderungen
Stattdessen kommt es zu zahlreichen Änderungen im Strafvollzug. Es soll nun einen 10 Punkte-Massnahme-Plan umgesetzt werden, der vor allem verschärfte Regeln im Strafvollzug vorsieht.
Für Strafvollzugsexperte Benjamin Brägger gehen die beschlossenen Massnahmen in die richtige Richtung. Er vermisst aber eine engere Zusammenarbeit zwischen Psychiatrie und Justiz. «Namentlich in der Westschweiz stützen sich Psychiater oft auf das Arztgeheimnis und kommunizieren wenig bis gar nichts», betont Brägger.
«Wir brauchen ein neues Verständnis des Strafvollzuges», so Brägger. Es dürfe nicht mehr wie in den 80er Jahren der Täter und seine Resozialisierung im Zentrum stehen. Der Fokus müsse viel mehr auf die Sicherheit und den Schutz der Bevölkerung gelegt werden. Brägger: «Es muss ein Kulturwandel stattfinden.»