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Kühe
Legende: Fressen die Kühe wieder frisches Gras, gibt es mehr Milch. Das ist ein Problem. Keystone

Schweiz Emmi belohnt Bauern – wenn sie keine Milch bringen

Es gibt zu viel Milch auf dem Markt – in der Schweiz und auch in Europa. Emmi, der grösste Milchverarbeiter in der Schweiz, schlägt deshalb den Milchbauern eine besondere Aktion vor: Wer in den nächsten Monaten weniger Milch abliefert als normal, wird belohnt.

Wenn die Wiesen wieder grün werden, fressen die Kühe mehr von dem saftigen grünen Gras. Und geben deshalb auch deutlich mehr Milch; genau sieben Prozent mehr. Doch bereits jetzt sind die Tanks der Milchverarbeiter praktisch voll. Der Milchverarbeiter Emmi zum Beispiel verarbeitet derzeit viel Schweizer Milch zu billiger Butter und zu Milchpulver, statt teurere Produkte wie Käse oder Joghurt herzustellen. «Unsere Lager sind jetzt schon voll», sagt Emmi-Sprecherin Sybille Umiker. Und noch immer seien die Maschinen gut ausgelastet.

Noch mehr Milch als jetzt in einem Monat ankommt, könne man kaum verarbeiten. Deshalb macht der grösste Milchverarbeiter der Schweiz rund 2500 Bauern ein Angebot: Zehn Rappen bekommt ein Bauer für jedes Kilo Milch, das er im März oder April nicht bei Emmi abliefert.

So bekommt der Bauer zwar kurzfristig weniger Geld, als erwartet. Über das Jahr hinweg dürfte es in seinem Sinne sein, meint Umiker: «Die meisten Bauern wissen natürlich, dass es sich negativ auf den Milchpreis auswirkt, wenn wir viel mehr Milch angeliefert bekommen, als wir verarbeiten können.»

Preis nach Markt

Emmi garantiert den Bauern nämlich nur die vereinbarte Abnahmemenge für ein Jahr. Der Preis pro Kilo Milch aber variiert je nach Marktsituation. Deshalb könnte sich manch ein Bauer tatsächlich auf dieses Angebot einlassen, obwohl er in den zwei Monaten vielleicht weniger Geld einnimmt als budgetiert.

Ob es funktioniert, weiss man bei Emmi noch nicht. Denn in der Schweiz hat dieses Modell noch niemand ausprobiert. Obwohl sich eine Kuh natürlich nicht per Knopfdruck regulieren lasse, könne ein Bauer seine Milchproduktion dennoch relativ rasch anpassen, sagt der Sprecher des Milchproduzentenverbandes Reto Burkhardt: «Er kann zum Beispiel einige Kühe, die er ohnehin im Sommer in den Schlachthof bringen wollte, etwas früher dort abliefern.» Der Bauer müsse sich auch überlegen, ob er Kraftfutter einführe und einsetze. Denn so gefüttert geben die Kühe auch mehr Milch als durch Fütterung mit Gras oder Heu. Ausserdem könnten jene Bauern, die eine Kälbermast betreiben, mehr Kälber mit Milch füttern als sonst.

Machen das andere bald auch?

Der Milchproduzenten-Verband beobachtet das Experiment von Emmi mit grossen Interesse. Die Vorstand hofft sogar, dass andere Verarbeiter dem Vorbild bald folgen. Der Verband selbst hat erst kürzlich die Bauern aufgerufen, ihre Milchproduktion um drei Prozent zu senken. «Die Schweizer Milchproduzenten sind schon lange in einer schwierigen Situation. In unseren Augen braucht es derzeit deshalb jeden Beitrag, um etwas Druck wegzunehmen.»

Druck auf den immer weiter sinkenden Milchpreis. Druck, der auch dazu führt, dass immer mehr Schweizer Bauern die Milchproduktion ganz aufgeben. Um dies zu verhindern, bezahlt Emmi deshalb die Bauern nun vorübergehend dafür, weniger Milch zu liefern, obwohl das Unternehmen dadurch Geld verliert.

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