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Schwarze Röhren ragen vor einem Mehrfamilienhaus aus dem Boden, ein Lastwagen im Hintergrund.
Legende: Kein seltener Anblick mehr: Erdwärmebohrung auf einer Baustelle in Zürich. Keystone/Archiv

Schweiz Erdsonden kannibalisieren sich gegenseitig

Immer weniger Schweizer Hausbesitzer setzen beim Heizen auf Öl oder Gas. Sie ziehen es vor, ihre vier Wände mit der natürlich vorhandenen Erdwärme warm zu halten. Aber mit dem Boom der Erdsonden tauchen auch Probleme auf.

Wo neu gebaut wird, gibt es meist eine Heizung, die durch Wärme aus dem Boden betrieben wird. Roland Wagner vom Stadtzürcher Hochbauamt erklärt: «Seit ungefähr 2005-2006 hat es einen regelrechten Boom gegeben. Es werden immer mehr Erdsonden installiert.»

Erdsonden gehen 200 Meter in die Tiefe und haben etwa fünf Zentimeter Durchmesser. Wenn das Wasser, das hindurch fliesst, wieder nach oben kommt, zieht die Wärmepumpe einen Teil der Wärme zum Heizen ab, und das erkaltete Wasser sinkt wieder in die Sonde ab. Solche Erdsonden sind ein zentraler Baustein der Energiewende. Aber sie sind nicht so ergiebig, wie viele bisher gedacht haben.

Zu viele Sonden schmälern das Heizpotenzial

Wagner hat das ausführlich untersucht. Er zeigt aus seinem Bürofenster auf die Stadt: «Wenn man die Szenerie anschaut, und jedes dieser Häuser hätte eine Erdsonde, dann würde sicherlich in absehbarer Zukunft das Potenzial jeder einzelnen Sonde geringer werden.» Denn wenn die Sonden dicht nebeneinander in die Erde gebohrt werden, entziehen sie sich gegenseitig Wärme. Der Betrieb wird unrentabel.

Man müsse sich das Erdreich vorstellen wie eine Batterie, sagt Wagner. «Wenn man dem Boden über eine Erdsonde Wärme entzieht, entlädt man diese Batterie.» Die Batterie werde zwar durch die Wärme aus dem Erdinneren nachgeladen, aber das gehe nur sehr langsam.

Die Batterie wird schneller entladen als wieder nachgeladen. «Wenn das der Fall ist, müssen wir selbst das Ladegerät wieder anschliessen», sagt Wagner. Wie das funktioniert, zeigt das Beispiel aus dem Gemeinschaftszentrum Bachwiesen in Zürich. Hier, zwischen Restaurant, Schrebergärten und hohen Pappeln, spielen Kinder auf einer Wiese. Unter ihren Füssen befinden sich mehrere Erdsonden.

Sonneneinstrahlung erhitzt Flüssigkeit im Dach

Von der Rutschbahn aus sieht man auf das Dach des Quartiertreffpunkts. Darauf liegt ein schwarzes Blech. Eigentlich seien es zwei Bleche mit einem Millimeter dünnen Hohlraum dazwischen, erklärt Ludwig Deuss von der Firma Energie Solaire. «Sie liegen übereinander, dadurch fliesst die Flüssigkeit, die die Wärme transportiert.»

Wie bei einem Gartentisch aus Blech erhitzt sich das Metall in der Sonne. Das Wasser zwischen den Blechen wird im Sommer sehr heiss, im Winter zumindest warm. Das reicht schon aus, damit das kältere Wasser in der Erdsonde mit dem Dachwasser wieder aufgeheizt werden kann. So werde die Sonne quasi in den Boden getankt.

Wärme aus Rechenzentren wird zurückgeführt

«Die ganze Ausnutzung des Erdreichs für die Wärmepumpe wird wieder regeneriert mit der Sonnenenergie», sagt Deuss. Neu ist das Prinzip nicht. Es gibt grosse Anlagen, etwa an der ETH, bei denen das bestens funktioniert. Meist wird überflüssige Wärme aus dem Gebäude oder aus Rechenzentren in den Boden geführt.

Nun untersucht die Stadt Zürich, wie wirtschaftlich sich solche kleinen Anlagen betreiben lassen. Zur Debatte steht auch, ob bald jede Person, die dem Erdreich Wärme entzieht, auch wieder Wärme zuführen muss. Denn nur so lässt sich die Erdwärme in dicht besiedelten Gebieten auch längerfristig nutzen.

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