Die Geschichte der Fahrenden in Bildern
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Bild 1 von 18. Jenische Grossfamilie aus Graubünden auf der Axenstrasse, Ende 1920er Jahre. Bildquelle: Sammlung Ernst Spichiger / Cronica.
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Bild 2 von 18. Das Flicken von Pfannen gehörte zu den von Fahrenden ausgeübten Erwerbsarbeiten, weshalb sie vor allem in Graubünden «Kessler» oder «Spengler» genannt wurden. Abgebildet ist eine Familie von Bündner Jenischen mit entsprechenden Gerätschaften. Bildquelle: Sammlung Ernst Spichiger / Cronica.
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Bild 3 von 18. Viele jenische Familien waren sesshaft und betrieben ihr mobiles Gewerbe von ihrem Wohnort aus. Auf dem am Haus angebrachten Schild steht: «Schirm u. Korb Reparaturen, Feinschleiferei Marx Nobel», 1930er Jahre. Bildquelle: Privatbesitz.
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Bild 4 von 18. Taufe, 1951. Die meisten Jenischen gehören der katholischen Konfession an und lassen auch heute ihre Kinder taufen. Bildquelle: Sammlung Ernst Spichiger / Cronica.
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Bild 5 von 18. Ländlerkapelle «Wandervögel», 1930er Jahre. Diese Kapelle bestand aus Mitgliedern der jenischen, in Magliaso heimatberechtigten Familie Huser. Aus ihr gingen 1939 die «Huser-Buebe» hervor, die über 50 Jahre lang zu den erfolgreichsten Schweizer Ländlerformationen gehörten. Bildquelle: Sammlung Ernst Spichiger / Cronica.
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Bild 6 von 18. In dieser Einrichtung im freiburgischen Sugiez wurden über 100 «Kinder der Landstrasse» versorgt. Bildquelle: Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg.
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Bild 7 von 18. Alfred Siegfried führte zeitweise über 250 Vormundschaften. Einige Mündel verbrachten mit ihm den Sommer in der Ferienkolonie in Waltensburg im Bündner Oberland. Bildquelle: Filmarts, Zürich.
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Bild 8 von 18. Das «Scharotl» ist bis heute ein Symbol für die fahrende Lebensweise, auch wenn die Fahrenden in der Schweiz schon lange nicht mehr mit dem Planwagen unterwegs sind. Bild aus den 1920er-Jahren. Bildquelle: Sammlung Ernst Spichiger / Cronica.
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Bild 9 von 18. Der Beruf des Schleifers wird mit modernen Geräten nach wie vor ausgeübt. Bildquelle: Gertrud Vogler, Bildarchiv Dokumentationszentrum der Radgenossenschaft der Landstrasse.
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Bild 10 von 18. Patentbüchlein, wie es bis 2003 alle reisenden Gewerbetreibenden benötigten. Bildquelle: Dokumentationszentrum der Radgenossenschaft der Landstrasse.
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Bild 11 von 18. Doppelseite aus dem Patentbüchlein einer jenischen Hausiererin von 1957. In jeder Gemeinde, in der die Wandergewerbetreibenden hausierten, mussten sie eine Gebühr entrichten. Bildquelle: Sammlung Ernst Spichiger / Cronica.
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Bild 12 von 18. Der provisorische Standplatz Murtenstrasse in Bern, vor 1998. Bildquelle: Dokumentationszentrum der Radgenossenschaft der Landstrasse.
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Bild 13 von 18. Die legendäre Besetzung des Luzerner Lidos im Anschluss an die Feckerchilbi in Gersau 1985. Mit dieser Aktion machten die Fahrenden auf fehlende Stand- und Durchgangsplätze aufmerksam. Bildquelle: Dokumentationszentrum der Radgenossenschaft der Landstrasse.
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Bild 14 von 18. Schulaufgaben werden auf den Plätzen auch einmal im Freien gemacht. Bildquelle: Dokumentationszentrum der Radgenossenschaft der Landstrasse.
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Bild 15 von 18. Durchgangsplatz Nulez, Bonaduz (GR). Bildquelle: Gemeinde Bonaduz.
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Bild 16 von 18. Der Durchgangsplatz in Liestal (BL) existiert seit 2002. Bildquelle: Film «Jung und Jenisch», Zürich 2010.
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Bild 17 von 18. Jenische beim Schrottsortieren, 1990er Jahre. Bildquelle: Roger Gottier, Bildarchiv Dokumentationszentrum der Radgenossenschaft der Landstrasse, Zürich.
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Bild 18 von 18. Jenische Frau bei der «Hausarbeit» auf dem Standplatz, 2009. Bildquelle: Film «Jung und Jenisch», Zürich 2010.
Planwagen waren gestern. Heute sind die Fahrenden in der Schweiz mit modernen Wohnwagen unterwegs. Sonst hat sich in den letzten Jahrzehnten aber nicht viel geändert: Noch immer stehen die Fahrenden am Rand der Gesellschaft, noch immer ist ihr Ausbildungsstand tief, noch immer finden sie nur schwer Arbeit. Und noch immer ist es für sie schwierig, einen geeigneten Standplatz zu finden – doch gerade dieser wäre so wichtig.
Platz für 60 Prozent der Fahrenden
Etwa 3000 Menschen sind hierzulande noch als Fahrende unterwegs, sagt Markus Notter, Zürcher alt Regierungsrat und Präsident der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende. «Es bräuchte etwas über 80 Durchgangsplätze, es gibt aber lediglich um die 40.» Durchgangsplätze sind Plätze, an denen die Fahrenden eine gewisse Zeit bleiben, ihr Handwerk anbieten und dann weiterziehen. Deren Zahl ist in den vergangenen Jahren gar zurückgegangen.
Das reicht noch für rund 60 Prozent der rund 3000 fahrenden Schweizer Jenische – zumindest auf dem Papier. In Tat und Wahrheit sei die Platznot oft noch grösser, sagt Urs Glaus, Geschäftsführer der vom Bund 1997 geschaffenen Stiftung. So seien einzelne Durchgangsplätze dauernd von aus Frankreich eingereisten Roma belegt.
Doch auch bei den Standplätzen, auf denen die Fahrenden beispielsweise überwintern, gibt es einen Mangel: «40 bräuchte es, 15 sind es», sagt Markus Notter. Und diese seien teils in einem sehr schlechten Zustand.
Kinder zur Sesshaftigkeit gezwungen
«Jemand muss aktiv etwas machen. Es braucht einen Grundeigentümer, der einverstanden ist. Man muss auch etwas Geld in die Hand nehmen – der Platz braucht Strom, Wasser und Abwasser», präzisiert Notter. Das Image der Fahrenden sei nicht überall gut. Wenn es darum gehe, Land umzuzonen oder einen Kredit zu bewilligen, ginge die Bevölkerung oft in die Opposition.
Auch der Bundesrat räumte 2012 in einem Bericht zur Umsetzung des Europarats-Abkommens ein, dass sich die Situation in den vergangenen Jahren nicht verbessert habe. Nach wie vor würden die Fahrenden von der Mehrheit häufig nicht als vollwertiger Bestandteil der Schweizer Bevölkerung wahrgenommen und litten unter Vorurteilen.
Gern gesehen waren die Fahrenden in der Geschichte noch nie. Bis in die 1970er-Jahre versuchte das Projekt «Kinder der Landstrasse» von Pro Juventute, die Nachkommen der Fahrenden sesshaft zu machen. Hunderte Kinder wurden in Heimen oder in Pflegefamilien platziert – gegen deren Willen. Jahrzehntelang wehrten sich jenische Eltern erfolglos gegen die Wegnahme ihrer Kinder. Erst eine Pressekampagne bewirkte 1973 das Ende der Aktion.
Doch auch Kinder, die in ihren Familien bleiben, haben oft grosse Probleme. Weil sie eine Schule nur in den Herbst- und Wintermonaten besuchen, hinken sie stark hinter ihren sesshaften Schulkollegen her. Viele Fahrende sind Analphabeten, eine Ausbildung absolvieren die wenigsten. Vielmehr lernen sie das Handwerk ihrer Eltern, was wiederum zu neuen Sorgen führt.
Am Schluss hilft das Sozialamt
Denn die meisten Jenischen haben Mühe, sich und ihre Familie mit dem traditionellen Gewerbe wie dem Hausieren, Messerschleifen oder Korbflechten zu ernähren. Ausweichmöglichkeiten bieten der Schrott- oder Altwarenhandel und die Recyclingbranche. Zugleich ist ihnen der Weg in den Arbeitsmarkt oft versperrt, weil die Kenntnisse in Lesen und Schreiben nicht genügen und die nötigen Diplome fehlen; auch der Umgang mit dem Computer ist vielen fremd.
Der Anteil Sozialhilfeempfänger unter den Jenischen auf den Standplätzen ging zwar zurück, ist aber immer noch hoch: In Buech bei Bern zum Beispiel bezogen in den 1990er-Jahren 80 Prozent Sozialhilfe, 2011 wurde noch rund ein Drittel durch die Sozialhilfe unterstützt.
Die Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende will intervenieren: vor allem bei den Standplätzen. Denn «die Ziele haben wir noch nicht erreicht», muss Markus Notter eingestehen. Mit Hilfe eines Aktionsplans, der auch von politischen Akteuren unterstützt wird, sollen die Fahrenden neue Aufenthaltsorte erhalten, an denen sie willkommen sind. Damit es vielleicht bald keine Proteste wie aktuell in Bern mehr braucht.