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Eine Frau steht mit ihrem Smartphone in der Mitte einer Menschenmenge
Legende: Frauen könnten in technischen Belangen mehr, wenn sie wollten. Keystone

Schweiz Frauen im Netz: «Viele trauen sich bei Problemen nicht viel zu»

Bei der Onlinenutzung öffnet sich in der Schweiz zwischen Frauen und Männern eine Lücke: Frauen sind weniger lang online als Männer und schätzen sich in ihren Fähigkeiten schlechter ein als vor zwei Jahren. Philippe Wampfler, Experte für Bildung mit digitalen Medien, zu den Frauen und dem Netz.

In den letzten beiden Jahren ist in der Schweiz die Internet-Nutzung bei Frauen weniger stark gewachsen als bei Männern. Stimmt dieser Befund mit Ihren Erfahrungen überein?

Zur Person

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Philippe Wampfler ist Dozent für Fachdidaktik Deutsch am IFE der Universität Zürich. Er unterrichtet in Schulen zu Social Media und berät Schulleitungen zum Thema. An der Kantonsschule Wettingen (AG) ist er zudem Lehrer für Deutsch und Philosophie.

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Ich beobachte, dass sich die Lücke vor allem bei den älteren Menschen öffnet, jenen also, die nicht mit Computer und Handy aufgewachsen sind. Oft trauen sich ältere Männer eher zu, dieses oder jenes noch zu lernen als ältere Frauen. Das ist aber eine persönliche Beobachtung.

Auffallend auch, dass sich Frauen plötzlich selber in ihren Internet-Fähigkeiten viel schlechter einschätzen als noch vor zwei Jahren.

Ich glaube, dass sich Frauen bei technischen Problemen grundsätzlich schneller als Männer nicht mehr zutrauen, diese zu lösen, obwohl sie es vielleicht könnten. Diese treten im Beruf und zuhause vermehrt auf, weil der digitale Einfluss in unserem Alltag rasant zunimmt. Aus diesem Gefühl heraus, immer öfter die technischen Probleme nicht mehr lösen zu können, entsteht das Gefühl, weniger kompetent zu sein.

Können Sie Beispiele zu diesem rasanten Wandel im Alltag machen?

Wenn man etwa via Internet Fernsehen will, braucht man nicht nur die entsprechenden Installationen, man muss das Gerät dann beispielsweise via Tablet bedienen. Oder man möchte Spotify mit der Stereoanlage verbinden und den Dienst optimiert nutzen. Beide Beispiele eröffnen neue Möglichkeiten in der Nutzung, machen aber auch die Bedienung etwas komplizierter.

Auch beim Persönlichkeitsschutz gibt es erhöhte Anforderungen …

Hier ist vor allem das Bewusstsein wegen der vielen Medienberichte in den letzten zwei Jahren gewachsen, etwas zu tun, um sich zu schützen. Viele wissen nicht so recht, wie man diese Einstellungen bei den verschiedenen Diensten genau macht. Während Männer einfach mal ausprobieren, wie das gehen könnte, sind Frauen weniger aktiv oder bleiben einem Dienst ganz fern.

Haben Männer grundsätzlich einfach mehr Interesse an Technik als Frauen?

Vordergründig beobachte ich das so. In meinen Klassen hat es fast immer Männer, die einen Schachcomputer oder ein Online-Pokerspiel programmieren, während ich das bei Frauen selten sehe. Die nutzen die Programme eher oberflächlich, meist zur Kommunikation. Daraus zu schliessen, Frauen seien von Natur aus nicht technik-interessiert, ist jedoch falsch. Unser Verhalten hat viel mit Rollenmustern zu tun, die wir von klein auf mitbekommen haben und die tief in uns verankert sind.

Im Lehrplan 21 ist Informatik ein neues Fach. Ein Fortschritt speziell für die Frauen?

Das Fach schliesst die Lücken zwischen jenen Menschen, die sich sowieso für Digitales interessieren und es deshalb lernen und jenen, die in diese Welt von sich aus nicht eindringen würden. Das Fach kommt also Frauen, aber auch bildungsferneren Personen entgegen. Jeder muss wissen, was ein Computer im Hintergrund macht, wenn man Daten eingibt. Jeder braucht im Alltag den Computer. Ein Mensch ist nicht alphabetisiert, wenn er sich im Internet nicht bewegen kann.

Was verpassen jene Frauen, die bei der digitalen Welt aussen vor bleiben?

Sie verpassen schlicht den Anschluss an die Gesellschaft. Der nächste Freundinnentreff wird via Doodle organisiert, die Partnersuche findet vermehrt auf entsprechenden Plattformen statt. Wer Informationen der Medien tiefer nutzen will, muss ins Netz. Und hier sprechen wir nur von der Nutzerseite. Für Frauen wäre es von Vorteil, wenn Sie vermehrt in Programmierberufe hineingehen würden. Viele Programme sind heute auf Männer ausgerichtet. Ein Klassiker sind die vielen Games auf dem Markt, die Frauen nicht wirklich ansprechen. Mit Sicherheit würden auch viele Anwendungen im Haushaltsbereich anders aussehen, wenn sie Frauen programmiert hätten.

Die «Frauen-Programme» würde dann wiederum mehr Frauen dazu bewegen, diese zu nutzen …

Genau. Es ist durchaus möglich, dass wir irgendwann die digitale Emanzipation bei Frauen erleben werden. Die Voraussetzungen sind da.

Das Gespräch führte Christa Gall.

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