Die starken Niederschläge der letzten Wochen im Tessin haben Hänge ins Rutschen gebracht, die von den Behörden als nicht gefährdet eingestuft waren. Mehrere Häuser wurden verschüttet, Menschen begraben und getötet. Es waren quasi blinde Flecken auf den Gefahrenkarten.
Hangrutsche lassen sich nicht verhindern
Dies zeigt: Auch wenn die Gefahrenkarten das Bild konkretisiert haben, lassen sich Ereignisse wie Hochwasser, Felsstürze, Lawinen oder Hangrutsche nicht verhindern.
Inzwischen liegen für fast alle dicht besiedelten Gebiete in der Schweiz Gefahrenkarten vor. Sie sind die Basis für künftige Bauten, aber auch für Schutzmassnahmen bei bestehenden Gebäuden und Infrastruktur wie Strommasten, Eisenbahnlinien und Strassen.
Rote Bereiche auf der Gefahrenkarte bedeuten eine erhebliche Gefahr für die Menschen, auch wenn sie sich in Gebäuden aufhalten. Neue Bauten sind dort verboten, bestehende Bauten müssen geschützt werden.
Nur selten Umsiedlungen
Kantone und Gemeinden nähmen rot ausgewiesene Gebiete ernst, sagt Roberto Loat vom Bundesamt für Umwelt Bafu. Es werde dort der Einzelfall analysiert und abgeschätzt, welche Gefährdung bestehe. Zum Schutz würden je nach dem planerische oder technische Massnahmen ergriffen oder allenfalls die Notfallplanung angepasst. Umsiedelungen seien das letzte Mittel und nicht immer nötig.
Die blaue Zone auf der Gefahrenkarte bedeutet mittlere Gefahr. Menschen in Gebäuden sind kaum gefährdet, ausserhalb hingegen schon. Hier können die Behörden Auflagen machen.
Versicherer helfen bei Massnahmen
Die privaten Sachversicherer und die kantonalen Gebäudeversicherer begrüssen die Gefahrenkarten sehr. Generell gilt: Liegt eine Baubewilligung vor, wird das Haus auch versichert. Selbst wenn es in der roten Zone liegt, wie Martin Jordi vom Verband der kantonalen Gebäudeversicherern ausführt.
Für die blaue Zone dagegen gebe es kantonal grosse Unterschiede. Manche Kantone seien wenig, andere stark in das Baubewilligungsverfahren involviert. Dort, wo dies der Fall sei, «wird Einfluss genommen, damit man möglichst viele Präventionsmassnahmen ergreifen kann, um Schäden langfristig zu vermeiden», so Jordi.
Manche kantonalen Gebäudeversicherer unterstützen und beraten die Hausbesitzer, wie sie sich besser vor Elementarschäden schützen können. «Das sind etwa bauliche Massnahmen», erklärt Stephanie Kriesel von der Gebäudeversicherung des Kantons Bern GVB. Je nach dem helfe man auch bei der Finanzierung der Massnahmen.
Es bleibt noch viel zu tun
Auch sei es so, dass nach einem Schadenfall die von der GVB empfohlenen Objektschutzmassnahmen umgesetzt werden müssten. Bleibe dies aus, müsse die Versicherung im nächsten Schadenfall laut Gesetz nicht mehr bezahlen. «Das ist bisher aber noch nie vorgekommen», erklärt Kriesel. Bislang trägt also das solidarische System der Gebäudeversicherung, das in einem Kanton für alle die selbe Prämie vorsieht.
In der Prävention der Naturgefahren wird die Arbeit nicht ausgehen. Es gehe in den nächsten Jahren darum, jene Gebiete zu kartieren, die weniger dicht besiedelt seien, sagt Loat vom Bafu. Auch Prozesse, wie etwa der oberflächliche Wasserabfluss, müssten in vielen Gebieten erst noch erfasst werden. So sollen die blinden Flecken auf den Gefahrenkarten nach und nach verschwinden.