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Symbolbild: Eine Pflegerin hält mit beiden Händen die Hand einer älteren Frau.
Legende: Die Anzahl der älteren, auf Pflege angewiesenen Menschen nimmt zu. Das kostet. Keystone

Schweiz Gemeinden ächzen unter Pflegekosten

Die hohen Pflegekosten bereiten vielen Gemeinden Sorgen. Und die Beträge, die sie an Spitex und Pflegeheime zahlen müssen, steigen weiter an. Das Beispiel am Kanton Luzern zeigt, wie ungleich die Kosten verteilt sind.

Im Luzerner Hinterland liegt die Gemeinde Werthenstein. Die Hügel steigen hier nur sanft an – doch die Pflegekosten steigen steil: 2011 bezahlte die Gemeinde eine halbe Million Franken an die Pflegheime. Inzwischen ist es fast doppelt so viel pro Jahr.

Kosten steigen mit der Anzahl Alten

Zwei Prozent der Einwohner von Werthenstein benötigten einen Heimplatz, sagt die Gemeinde-Sozialvorsteherin Heidi Burkhard. «Das sind 40 Personen.» Und die Prognosen machen sie nicht froh: Der Anteil an Hochaltrigen wird steigen.

Da hilft es wenig, wenn die Gemeinde mit neuem, bezahlbaren Wohnraum Familien anziehen will. Denn sie ändern nichts an den Beträgen, die Werthenstein den Pflegeheimen und der Spitex bezahlen muss. Es geht um jenen Teil der Kosten, die weder Krankenkasse noch Pflegebedürftige übernehmen. Diese sogenannte Restfinanzierung zahlt die öffentliche Hand.

Gemeinden müssen bezahlen

Seit vier Jahren gilt dies in der Schweiz, wird von Kanton zu Kanton aber unterschiedlich umgesetzt. Luzern gehört zu jenen acht Kantonen, in welchen die Gemeinden die Restfinanzierung tragen müssen. Das sei nicht durchdacht, kritisiert die Sozialvorsteherin von Werthenstein. Denn so würden Gemeinden mit vielen Alten bestraft.

Dabei habe eine ländliche Lage durchaus Vorteile, denn hier würden die alten Menschen von Angehörigen gepflegt und blieben vergleichsweise lange zuhause. Ein Heimeintritt komme dort meist erst in Frage, wenn die Angehörigen überfordert seien oder er medizinisch nötig werde.

Auf die Bevölkerungsstruktur kommt es an

20 Kilometer weiter nördlich liegt Schenkon am Sempachersee. Hier sind ganze Quartiere neu entstanden. Die Gemeinde gilt als steuergünstig. Die Gemeinde wendet pro Jahr 110'000 Franken für die Restfinanzierung auf – der Betrag ist seit Jahren konstant, wie Sozialvorsteherin Marie-Theres Vogel ausführt. Die Gemeinde spürt die Heimkosten also kaum.

In Schenkon sind 12 von 2700 Einwohnern in einem Pflegeheim. Die Sozialvorsteherin betont, die Anzahl der Pflegebedürftigen sei bloss die eine Grösse. Fast noch wichtiger sei, wie schwer die Heimbewohner pflegebedürftig seien. Denn Schwerstpflegebedürftige belasten die Gemeindekasse besonders stark. So könnten für eine einzige Person Restfinanzierungskosten von bis zu 30'000 Franken pro Jahr entstehen.

In Schenkon sei das noch nicht so. Doch bis in 15 Jahren rechnet Vogel mit deutlich höheren Kosten: Dann werde die Schenker Bevölkerung ein Drei- bis Vierfaches an Pflegeplätzen benötigen, was dann wiederum vergleichbar wäre mit der heutigen Situation in Werthenstein. Dort sagt Sozialvorsteherin Burkhard etwas lakonisch: «Den letzten beissen die Hunde – im Kanton Luzern sind das halt die Gemeinden.»

Gemeinden versuchen, Kosten abzuwälzen

Beim Heimverband Curaviva Schweiz beobachtet Daniel Domeisen, dass Gemeinden ab und zu bei der Pflegefinanzierung sparen. So entstehe das Risiko für Lücken bei der Restfinanzierung, was wiederum die Bewohner oder die Heime übernehmen müssten. «Das ist ein Fehler, der eigentlich nicht so vorgesehen ist.»

Solche Finanzierungslücken lassen sich laut Domeisen nur verhindern, wenn der Kanton die Restfinanzierung übernimmt. Das ist derzeit in 14 Kantonen der Fall. So würden die ungleichen Belastungen einzelner Gemeinden verschwinden und bei Bedarf könnten sie über den innerkantonalen Finanzausgleich eingeebnet werden.

Auch der Bund will nun wissen, wie sich die vor vier Jahren eingeführte Pflegefinanzierung finanziell auf die Beteiligten auswirkt. Das Bundesamt für Gesundheit hat dazu eine Untersuchung in Auftrag gegeben.

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