Die Medienfreiheit darf nicht ohne weiteres eingeschränkt werden. Zu diesem Schluss kommt das Bundesgericht. Es reagiert damit auf ein Urteil des Zürcher Bezirksgerichts zu den so genannten Kristallnacht-Tweets.
Ein Zürcher SVP-Politiker hatte im Kurznachrichtendienst Twitter geschrieben, «vielleicht braucht es wieder eine Kristallnacht... diesmal für Moscheen». Mit der Reichskristallnacht begann die Judenvernichtung der Nazis in Deutschland. Er propagierte also die Verfolgung, Vertreibung, Ermordung von Muslimen und schrieb auch, er würde gewisse Leute gern an die Wand stellen.
Richter verpasste Medien Maulkorb
2014 wurde der Mann wegen Rassendiskriminierung verurteilt. Doch noch bevor der Bezirksrichter den Schuldspruch verkündete, drohte er den anwesenden Medienschaffenden: Sie dürften weder Namen, noch Alter oder Arbeitgeber und auch nicht die Internetadresse zum Blog des Angeklagten veröffentlichen, andernfalls würden sie mit 1000 Franken gebüsst.
Der Richter verpasste den Medien also einen Maulkorb zum Schutz des Täters. Das sei kein Einzelfall, sagt Thomas Hasler, Gerichtsberichterstatter des «Tages-Anzeiger». Er stelle eine Tendenz fest, dass vor allem Verteidiger einen Ausschluss der Öffentlichkeit beantragten, «wo es ja um den Schutz des Beschuldigten und nicht den Schutz eines Opfers geht.» Häufig hiessen die Gerichte solche Anträge gut.
Bundesgericht stützt Tagi und NZZ
Der «Tages-Anzeiger» und die «Neue Zürcher Zeitung» wollten das nicht akzeptieren und zogen den Fall des Kristallnacht-Twitterers ans Bundesgericht. Tatsächlich hat das höchste Gericht nun festgestellt, dass es keine Rechtsgrundlagen für die Beschränkung der Medienfreiheit und eine allfällige Busse gab. Auch sei es im Zeitalter von Google «schwer nachzuvollziehen», warum die Internetadresse zum Blog des Mannes ein Geheimnis sein sollte. Generell ermahnt das Bundesgericht die Zürcher Kollegen: Einschränkungen der Medienfreiheit bedürften einer Grundlage.
Das Zürcher Obergericht will das Urteil nicht kommentieren. Was aber klar ist: Das Urteil ist für alle Zürcher Gerichte verbindlich. Und darauf werde das Obergericht auch die anderen Instanzen aufmerksam machen.