Dunkel, eng und nicht ganz ungefährlich: Höhlen bieten eine komplett andere Welt. Der Grossteil der Schweizer Höhlen liegt in Karstgebieten im Jura, der Rest in den Alpen und Voralpen. Einige von ihnen – wie die rund 160 Kilometer langen «Siebenhengst-Hohgant-Höhlen» im Kanton Bern oder das über 200 Kilometer lange «Hölloch» im Kanton Schwyz – werden seit Jahrzehnten erforscht.
Schmutzig, dunkel und geheimnisvoll
Jedes Jahr kommen neue Unterwelten hinzu. «Mit Glück kann man in der Wintersaison neue Höhlen entdecken», sagt Constanze Bonardo vom Schweizerischen Institut für Speläologie und Karstforschung (ISSKA). Die Temperaturen in den Höhlen betrügen unabhängig von der Jahreszeit zehn bis zwölf Grad. Die Winterluft ausserhalb sei aber tiefer. Die warme Luft aus der Höhle könne somit einen neuen Eingang anzeigen.
Vergleichsweise tief liegt dagegen die Zahl der Höhlenforscher. Gerade mal 1000 Personen haben sich der unterirdischen Welt verschrieben. Gründe dafür gibt es viele. «Unter der Erde ist es schmutzig, dunkel und rutschig», sagt Constanze Bonardo vom ISSKA.
Nicht alle könnten sich vorstellen, ununterbrochen ohne Tageslicht zu arbeiten. Zudem müsse man diverse Fingerfertigkeiten wie Seil- und Klettertechniken beherrschen. Ähnlich sieht die Zurückhaltung bei Besuchern aus. «Allerdings nimmt das Interesse allmählich zu», sagt Bonardo.
Angetan ist hingegen Höhlenforscher Christoph Seiler. Die Beatus-Höhle im Berner Oberland kennt er wie seine Westentasche. Seit fünf Jahren erforscht er neue Schächte und legt Gänge frei. «Unter der Erde liegt eine komplett andere Welt, ohne Zeitgefühl, nur Stille», erzählt er.
Unabhängig vom Wetter zu sein, findet er praktisch, und permanent im Dunkeln zu arbeiten macht ihm nichts aus. «Man ist ja immer mit Arbeiten beschäftigt, das lenkt ab», sagt Seiler, der zudem Präsident der Höhlenforschung in Interlaken ist.
Manchen mag der Gedanke, mehrere Hundert Meter unter der Erde nur mit dem Helmlicht ausgestattet durch Schlamm und Wasser zu waten, Ängste auslösen. Nicht so bei Seiler. Er erinnert sich an einen Moment, den ihn regelrecht beflügelt hat. «Einmal fanden wir in einem Gang in einer Höhle Schmuck». Goldketten und Diamantringe? Mitnichten. «Es handelt sich dabei um diverse Arten von Kalkablagerungen. Sie schimmerten gelb und weiss vor schwarzem Hintergrund», schwärmt Seiler.
Dieser Anblick und die Ruhe hätten ihn mit Glück erfüllt. Brenzlig könne es nur werden, wenn man «irgendwo stecken bleibt. Dann gilt es Ruhe zu bewahren. Denn es kann lange dauern, bis jemand zur Hilfe kommt», weiss der Höhlenforscher. Deshalb sei der Respekt vor und in der Höhle immer wichtig.
Höhlen für Mülldeponie missbraucht
Doch sind Höhlen nicht nur aufgrund ihrer eindrücklichen Tropfsteine und smaragdgrünen Seen schützenswert. «Höhlen sind auch wegen des Materials und der Fundstücke wichtig», sagt Constanze Bonardo von der ISSKA. Dazu zählten unter anderem Knochenreste von Höhlenbären und Stalagmiten. Diese weisen Ringe auf – vergleichbar mit jenen in Baumstämmen. «Bloss, dass man aus den Stalagmiten das Klima vor Tausenden von Jahren ablesen kann. Höhlen bergen somit ein Vielfaches an wissenschaftlichen Schätzen.»
Wenig bekannt dürfte zudem die Tatsache sein, dass sich in Höhlen die grössten Wasserreserven der Schweiz befinden. «Das meiste Trinkwasser befindet sich unter der Erde», sagt Bonardo. Doch Abfälle, die früher dort gelagert wurden, können zur Verschmutzung der Höhlen und des Wassers führen. In den 70er-Jahren sei es üblich gewesen, Abfälle in Höhlen zu entsorgen. Deshalb würden jedes Jahr einige davon gesäubert.
Höhlenforscher Christoph Seiler erkundet gerade eine Höhle in der Region Steini bei Interlaken. Einen Namen habe die Höhle noch nicht. Doch das kümmert ihn wenig. Spannender findet er die Schächte und Gänge, die es noch zu erforschen gibt.