Er ist kein Pfarrer. Auch kein Seelsorger. Beat Christen sieht sich mehr als Coach, als Lobbyist in Gottes Auftrag. «Gläubige Christen müssen für die Obrigkeit beten», sagt er. «So steht es in der Bibel.» Seit 20 Jahren betet Christ Christen für die Schweizer Parlamentarier und den Bundesrat. Erst als Zuschauer auf der Tribüne. Doch schon bald erhält er einen Badge, der es ihm erlaubt, im Bundeshaus ein und aus zu gehen.
Christen arbeitet für die VBG, die Vereinigten Bibelgruppen in Schule, Universität und Beruf. Früher hat er an Gymnasien Bibelgruppen gegründet, später in Grossunternehmen wie Novartis oder ABB – jetzt tut er das Gleiche in der Bundesverwaltung und eben im Parlament.
Mehr Dialog zwischen den Religionen
Er hat zusammen mit Räten eine Parlamentariergruppe gebildet. «Vision für die Schweiz / Christ und Politik» heisst sie – von verschiedenen Seiten betrachtet passend. Die Gruppe überlegt, welche christlichen Themen vom Parlament aufgegriffen werden könnten.
Seit Kurzem Mitglied der Gruppe ist Nationalrätin Doris Fiala (FDP/ZH): «Mir gefällt, dass wir moralische und ethische Werte vertreten und debattieren.» Würde es nur um die Kirche gehen und missionarisch daher kommen, wäre Doris Fiala nicht beigetreten. Doch die Fragen, die diskutiert werden, findet sie spannend.
Es gehe etwa darum, wie viel Spitzenmedizin am Anfang des Lebens (beispielsweise bei so genannten Frühchen, die oft nur mit schwersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Behinderungen überleben) oder wie lange Spitzenmedizin am Ende des Lebens gerechtfertigt sei und ab wann Palliative Care ethischer sein könne. Die Möglichkeit der heutigen Medizin seien eben nicht immer «Gott gewollt». «Es geht um den Anfang und das Ende des Lebens.» Aber auch das Verhältnis der Christen zum säkularen Staat sei wichtiger Diskussionspunkt für sie.
Im Rahmen ihres Engagements hat sich Fiala kürzlich auch für eine Botschaft am Heiligen Stuhl im Vatikan eingesetzt. Nicht nur christliche Länder seien dort vertreten, sagt sie. Doch die religiös bedingten Konflikte nähmen immer mehr zu. Deshalb sei es wichtig, die diplomatischen Beziehungen zu verstärken. Einen entsprechenden Vorstoss hat sie eingereicht.
Ein offenes Ohr und ein waches Auge
Dass nicht nur kirchliche Themen vertreten werden sollen, sieht auch Beat Christen. So interessiert er sich beispielsweise auch für das Schicksal von Zwangsprostituierten aus dem Osten oder für den Schutz des Menschen ganz allgemein.
Meistens ist Beat Christen aber einfach in der Wandelhalle unterwegs und bietet den Politikern ein offenes Ohr. Otto Ineichen sei eines Tages im Sommer zu ihm gekommen, sie hätten ein gutes Gespräch geführt, so Christen. Ein menschliches Gespräch. Obwohl er etwas unmotiviert gewirkt hätte. Das war ein Tag vor seinem Tod.
«Ich versuche, zwischen den Zeilen zu horchen und Spannungen zu erkennen.» Die Parlamentarier erzählen ihm ihre persönlichen Nöte oder berichten ihm von gesundheitlichen Problemen. Eine Insel im harten Parlamentsalltag. Wie viele Räte aber zu ihm kommen, will er nicht verraten. Er führe keine Strichliste, sagt Beat Christen.