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Schweiz Grüzi, Grüzi! Ein Deutscher in der Urschweiz

Die Schweiz sei unbeliebt bei den ausländischen Arbeitnehmern. Das besagt eine Umfrage unter Expats. Der deutsche «Rundschau»-Reporter Peter Hell machte die Probe aufs Exempel und stellt fest: Wer auf die Einheimischen zugeht, findet neue Freunde. Auch im konservativsten Ort der Schweiz.

Es ist die grandiose Landschaft, die mir mit aller Wucht entgegenschlägt, hier am Sihlsee, im Kanton Schwyz. Das tiefgrüne Wasser und die markante Bergsilhouette lassen mich für Sekunden vergessen, warum ich eigentlich hier bin.

Peter Hell

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Peter Hell arbeitet seit 18 Jahren beim deutschen Fernsehmagazin Spiegel TV als Reporter. Seine Themenschwerpunkte sind Krisen- und Kriegsgebiete, Islamismus, Terrorismus und Flüchtlinge. Seit Anfang September arbeitet Hell für sechs Wochen als Austauschredaktor bei der «Rundschau».

Diese schöne Schweiz soll dramatisch an Beliebtheit bei Einwanderern verloren haben? Zu teuer sei das Leben und die Einheimischen seien zu unfreundlich, so das Ergebnis einer Umfrage unter den Expats. Doch stimmt die Statistik wirklich?

Besuch im Neinsager-Ort

Ich bin auf dem Weg in die Ur-Schweiz, genauer nach Unteriberg. Ein erster Test für mich, den Reporter aus Deutschland. Denn Unteriberg gilt als konservativster Ort in der Schweiz. Hier haben 76 Prozent die SVP gewählt, hier ist man bei Abstimmungen nahezu gegen alles: Nein zu Minaretten! Nein zur Masseneinwanderung. Nein zur Personenfreizügigkeit! Die 2500 Einwohner befinden sich in einer Art Dauer-Widerstand.

«Arbeiten? Ja! Wir können dich nur nicht gebrauchen!»

Ich nähere mich dem Dorfrand. Erst sehe ich hunderte von Schafen, dann den Schäfer. Franz heisst er. Hätte ich die Filmrolle des Alp-Öhis neu zu besetzen, Franz hätte sie bekommen. Er passt mit seiner Pfeife und Rauschebart in jedes Klischee und ich offenbar auch.

«Grüzi, Grüzi», stelle ich mich vor. «Ich komme aus Deutschland, dürfte ich bei Ihnen arbeiten?»

Nie unfreundlich zu mir

«Das sieht man, dass du aus Deutschland kommst», brüllt Franz mir entgegen. «Du kannst bei uns arbeiten, ich kann dich nur nicht gebrauchen.» Irgendwie klingt diese Absage bei ihm charmant. Dann spricht Franz über Politik und die konservative Mentalität der Einwohner. Schliesslich wünscht er mir noch einen schönen Tag und zieht weiter mit seinen Schafen.

Ich bleibe in Unteriberg, spreche mit den Menschen. Auf der Strasse, am Stammtisch, bei einem Glas Bier. Sie sind stolz hier. Ja, sie haben ihre eigene Art. Aber sie waren nie unfreundlich zu mir. Im Gegenteil.

In Zürich leben 131'000 Ausländer

Ich fahre zurück nach Zürich. Die Finanz-Metropole gilt als Hot-Spot bei den Expats. 410'000 Menschen leben an der Limmat, fast jeder vierte Einwohner kommt aus dem Ausland. Hier war die Verunsicherung bei den Expats nach der Einwanderungsdebatte vor zwei Jahren am grössten. Aus Wut hatten sogar einige das Land verlassen.

Ich treffe Ashok Rughwani auf einer Expat-Party. Der Brite ist Top-Banker und Vize-Präsident der «Züri eXxpats». Fünftausend Mitglieder zählt die Organisation. «Mittlerweile hat sich die Aufregung gelegt», schildert der Bankier die Atmosphäre in der Stadt. Das Ranking kann er nur zum Teil verstehen. «Natürlich haben viele Neuankömmlinge Probleme. Wir helfen ihnen dabei, diese zu lösen. Sei es bei der Wohnungssuche oder mit Sprachkursen. Die Schweiz ist ein grossartiges Land, das wissen im Prinzip alle, die hier leben und arbeiten.»

«Ich habe keine Unfreundlichkeit erfahren»

Die Finanz- und Kommunikationsbranche stellt den höchsten Anteil an Einwanderern. Christian Baertschi, CEO der Werbeagentur Serviceplan bringt es direkt auf den Punkt: «Ohne ausländische Kräfte wären wir nicht mehr konkurrenzfähig. Ohne Ausländer würden wir wieder auf das Niveau eines Agrarstaates fallen.» 20 seiner 90 Angestellten kommen aus dem Ausland.

Hannah kommt aus Deutschland. Sie ist 34-jährig, lebt seit zehn Jahren in der Schweiz. «Ich habe von einer Unfreundlichkeit oder sozialen Kälte bislang nichts gespürt. Natürlich sind die Schweizer etwas reservierter, aber es kommt auch immer darauf an, wie man ihnen begegnet», sagt sie.

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