Wilhelm Tell hätte sich wohl für etwas Bescheideneres entschieden. Eine Lautsprecheranlage für 200'000 Franken? Eine Uhr für 100'000 Franken? Eine Gürtelschnalle für 120'000? Den Kopf hätte er geschüttelt und vermutlich geschimpft: Über die Dekadenz der Obrigkeit, die sich solcherlei Dinge leistet.
Innovation gepaart mit Verrücktheit
Doch verkennt Wilhelm Tell etwas Essentielles: Hinter diesen Schweizer Luxusgütern stehen Ideen, viel Denkarbeit, die man im Design oder in der einmaligen Technik erkennt und eine gesunde Prise Verrücktheit. Mögen sie sich einem auch nicht auf den ersten Blick offenbaren, die Gemeinsamkeiten der Erfinder dieser Produkte und Wilhelm Tell sind augenscheinlich. Und sie gehen weit über das Label «made in Switzerland» hinaus.
Es braucht Mut, eine Uhr herzustellen, die sich optisch komplett von den traditionellen, marktbeherrschenden Stücken löst. Deren Anmutung eher an einen Tachometer erinnert als an eine Uhr. Und die gerade deswegen technisch hochkomplex ist und Uhrmacher in der ganzen Schweiz herausfordert.
Die Macher von «Urwerk» wagten es, auch wenn sie die ersten sechs Jahre kaum ein Exemplar verkauften. «Wir lebten von der Hand ins Maul, manchmal wussten wir nicht wie es weitergehen sollte», sagt Urwerk-Designer Martin Frei. Doch er und seine Geschäftspartner glaubten an ihr Produkt. Und an den Standort Schweiz, der diese Erfolgsgeschichte möglich macht. Heute können alle gut von den Uhren leben.
Schweizer Präzisionsarbeit
Auch für Kurt Scheuch, technischer Entwickler bei der Lautsprecherherstellerin Piega, spielt der Standort Schweiz eine wichtige Rolle. Ihm geht es besonders um die Präzision: Jene, mit der Wilhelm Tell seinem Sohn Walter den Apfel vom Kopf schoss.
Genauso präzise müssen seine Mitarbeiter sein. Denn sie bauen jeden einzelnen Lautsprecher von Hand zusammen. Dabei geht es nicht um das blosse Zusammensetzen von Einzelteilen, sondern ganz besonders um die Feinarbeit, die nur einige wenige Mitarbeiter beherrschen. Die Membran im Lautsprecher, die im Grunde den Ton erzeugt, findet man in keinem anderen Lautsprecher auf der Welt. Scheuch hat sie entwickelt, sie ist patentiert.
Gürtelschnalle mit Diamanten
Doch auch Mut und Präzision reichen nicht immer aus. Manchmal braucht es ein wenig Irrsinn, ein ständiger, Antrieb, ein inneres Perpetuum mobile. Gepaart mit simplen Beobachtungen aus dem Alltag führte dies bei Designer Roland Iten dazu, eine Gürtelschnalle zu entwickeln, die einerseits hochexklusiv und andererseits hochfunktional ist.
Der Gürtel lässt sich dank ausgeklügelter Mechanik diskret mit einer Hand verstellen. Wem danach ist, der kann die ganze Schnalle mit Diamanten überziehen lassen. Bei der Mechanik hat sich Iten von der Uhrmacherkunst inspirieren lassen. Nicht zuletzt wegen dieser Reminiszenz stellt Iten seine Gürtelschnallen ausschliesslich in Genf her.
Die Schweiz setzt mit Luxusgütern jedes Jahr 30 Milliarden Franken um. Ein grosser Teil dieser Güter wird in kleinen Manufakturen produziert, von wenigen, aber fähigen Personen, die bereit sind, viel zu investieren und viel zu arbeiten. Hätte man Wilhelm Tell eine solche Gürtelschnalle angeboten, wer weiss, er hätte sie vielleicht mit Stolz getragen.