Das Projekt ist neu und vielversprechend: Seit Anfang 2012 können Menschen mit körperlicher Behinderung einen Helfer anstellen. Die Kosten trägt die Invalidenversicherung. Der Assistent unterstützt den Behinderten, das tägliche Leben in den eigenen vier Wänden zu bewältigen. Rund 1000 Menschen haben dieses Jahr einen sogenannten Assistenzbeitrag beantragt; 500 Anträge wurden bereits genehmigt.
Peter Eberhard vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV): «Wir gehen von 3000 bis 3500 Personen aus, die mittelfristig einen Assistenzbeitrag in Anspruch nehmen. Die Zahlen nach dem ersten Jahr entsprechen unseren Erwartungen.»
Gemischte Bilanz
Das Bundesamt ist zufrieden. Der Geschäftsleiter eines Behindertenverbands zieht hingegen eine gemischte Bilanz – Peter Wehrli vom «Zentrum für Selbstbestimmtes Leben»: «Das Positive ist: Ganz viele Menschen haben nun die Möglichkeit, zuhause zu leben, in ihrer gewohnten Umgebung.»
Und das Negative? Sei die Tatsache, sagt Wehrli, wie der Assistenzbeitrag limitiert werde. In der Tat: Die IV übernimmt pro Tag maximal acht Stunden Assistenz.
Ein Leben in den eigenen vier Wänden
Warum zahlt die IV diese Assistenzbeiträge? Um Behinderten ein höheres Mass an Selbstbestimmung zu ermöglichen. Und – letztlich – um Kosten zu sparen: Dank des Beitrags sehen sich vielleicht weniger Behinderte gezwungen, in ein Heim zu ziehen. Und die, die im Heim leben, werden animiert, wieder auszuziehen.
Ein positiver Effekt. Bei Curaviva, dem Verband «Heime und Institutionen Schweiz», spürt man davon nach einem Jahr allerdings noch nichts. Stefan Sutter leitet bei Curviva den Fachbereich Erwachsene Behinderte. Er sagt: «Es sind nur Einzelne, die zuhause einen Platz finden. In der Regel ist zu wenig Geld da, um eine neue Perspektive zu schaffen.»
Peter Wehrli vom «Zentrum für Selbstbestimmtes Leben» verstärkt die Kritik: Der limitierte Assistenzbeitrag reiche nicht aus, um auch Schwerbehinderten ein Leben zuhause zu ermöglichen.
Diese Benachteiligung verletze gesetzliche Bestimmungen.
Vorerst keine Änderungen
Das Amt verletzt Bestimmungen? Gegen diesen Vorwurf wehrt sich das BSV. Nein, man wolle keineswegs auf verdeckte Art Kosten sparen, sagt BSV-Sprecher Peter Eberhard. «Der Assistenzbeitrag ist absolut konform mit dem, was geplant wurde.»
Die Rahmenbedingungen für die Vergabe des Beitrags werden sich vorläufig nicht ändern. Für 2014 plant das Bundesamt jedoch eine Überprüfung des Projekts, eine Evaluation. Bei dieser Gelegenheit wird sicher auch über die Höhe des Assistenzbeitrags diskutiert.