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Schweiz «Ich glaube nicht, dass ich das Bankgeheimnis zu Grabe trage»

Laut Finanzministerin Widmer-Schlumpf ist die Annäherung an den automatischen Informationsaustausch im Rahmen der OECD wohl der gangbare Weg hin zum steuerkonformen Finanzplatz. Der Bundesrat habe heute beschlossen, aktiv mitzuarbeiten. Als Totengräberin des Bankgeheimnisses sieht sie sich nicht.

Finanzministerin Eveline-Widmer Schlumpf hat am Freitag den Expertenbericht zur «Weiterentwicklung der Finanzmarktstrategie» veröffentlicht und eine erste Stellungnahme des Bundesrates zu den Empfehlungen abgegeben.

«Ich glaube nicht, dass ich das Bankgeheimnis zu Grabe trage, sondern dass der Finanzplatz Schweiz in fünf oder zehn Jahren steuerkonform ist», stellte Widmer-Schlumpf auf eine entsprechende Frage vor den Medien fest.

Wenn der automatische Informationsaustausch (AIA) zum Standard in der OECD, bei den G20 und auf den wichtigsten Finanzplätzen werde, sei es richtig, dem Parlament einen entsprechenden Vorschlag zu machen. «Das ist ein grosser Prozess», sagte sie und weiter: «Der Bundesrat hat heute beschlossen, aktiv mitzuarbeiten.»

Widmer-Schlumpf betonte, dass der auf Ende Juni geplante Bericht wegen der baldigen Sondersession des Parlaments vorgezogen worden sei. Der Bundesrat habe es deshalb als richtig erachtet, in gewissen Punkten eine konsolidierte Meinung zu haben. Sie räumte zugleich ein: «Zeit für eine vertiefte Analyse hatten wir nicht.» Diese werde sie bis Ende September zuhanden des Bundesrats vorlegen.

Brunetti: AIA mitentwickeln

«Wenn schon ein automatischer Informationsaustausch, dann soll die Schweiz aktiv mitarbeiten und Gegenleistungen verlangen können», umschrieb der frühere Seco-Chefökonomen Aymo Brunetti die Zielrichtung der Empfehlungen. Der Bericht suche nachhaltige Antworten für die grenzüberschreitende Vermögensverwaltung mit den im Ausland steuerpflichtigen Kunden und für den künftigen Marktzutritt.

Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf vor den Medien in Bern.
Legende: Neue Finanzmarktstrategie: Ein Expertenbericht mahnt zur Eile - die Finanzministerin erklärt. Keystone

Die empfohlene Strategie enthält mehrere Elemente: So schlägt die Expertengruppe erstens vor, dass die Schweiz es «akzeptiert», dass der automatische Informationsaustauch künftig globaler Standard im steuerkonformen Umgang mit ausländischen Vermögensverwaltungskunden «sein dürfte». Der Bericht kommt zugleich zum Schluss, dass das Schlagwort «automatischer Informationsaustausch» bisher relativ unklar sei. Es beziehe sich nur auf die Art  der Übermittlung und sage nichts zum Umfang der Lieferung in einem künftigen globalen Standard.

Brunetti: Schwindende Akzeptanz der Abgeltungssteuer

Die Schweiz würde gemäss Empfehlung vor diesem Hintergrund die Abgeltungssteuer nicht mehr aktiv propagieren, wäre aber bereit, mit interessierten Staaten weiterhin solche Abkommen einzugehen. Brunetti betonte dazu, dass die Abgeltungssteuer zwar weiterhin überlegen sei, deren globale Akzeptanz aber immer geringer werde.

Zweitens sollte die Schweiz gemäss Empfehlung «ab sofort» im Rahmen der OECD aktiv einen globalen Standard für den utomatischen Informationsaustausch mitentwickeln helfen. Dieser müsse auch Trusts und Sitzgesellschaften umfassen und den hohen Ansprüchen des Datenschutzes genügen, wird im 64seitigen Bericht betont.

OECD-Regeln dringlich umsetzen

Gemäss einer dritten Empfehlung sollte die Schweiz die internationalen Vorgaben des Global Forums der OECD über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke mit «hoher Dringlichkeit» umsetzen. Sie würde gemäss den Experten damit die Voraussetzungen schaffen, im Herbst zur zweiten Phase der Überprüfung durch das Global Forum zugelassen zu werden.  Die Experten raten zugleich, die Amtshilfekonvention des Europarats zu unterzeichnen und zu ratifizieren.

Gemäss Widmer-Schlumpf ist es nicht wahrscheinlich, dass ein solcher Zeitplan eingehalten werden könnte. Sie verwies unter anderem auf die zahlreichen noch nicht in Kraft gesetzten Doppelbesteuerungsabkommen. Betreffend Europaratskonvention seien die Diskussionen im Gang, sie werde dem Parlament einen Vorschlag unterbreiten.

Drohkulisse MiFID

Viertens soll gegenüber der EU die Bedeutung einer Drittstaatenregelung im Rahmen der europäischen Finanzmarktrichtlinien MiFID betont werden, die den heutigen Marktzugang sicherstellt.

MiFID werde intensiv diskutiert, würde doch bei absoluter Umsetzung die Schweiz als Drittstaat vom Markt abgeschnitten, sagte die Finanzministerin dazu. Schweizer Firmen hätten nur noch Zugang über Sitzgesellschaften im betreffenden Land: «Wir müssen darum kämpfen, dass wir nicht weniger Marktzugang haben als heute.»

Eine weitere Empfehlung betrifft die Altlasten: So müsse mit den wichtigsten EU-Mitgliedstaaten «mit Nachdruck eine faire Vergangenheitsregelung angestrebt werden». Diese würde laut Widmer-Schlumpf nach bisher geltendem Recht erfolgen. Quellensteuerabkommen seien hier das richtige Modell.

AIA «direkt» mit Bedingungen?

Den letzten beiden Punkten müssten – gemäss Punkt fünf der Empfehlungen- die EU und ihre Mitgliedstaaten entsprechen. Die Schweiz könnte sich dann bereits bei den Verhandlungen über ein erweitertes Zinsbesteuerungsabkommen bereiterklären, den automatischen Informationsaustausch «direkt» anzubieten. Und zwar «auch wenn dieser noch nicht globaler Standard ist».

Die ersten vier Punkte wurden laut Bericht von der Expertengruppe einstimmig empfohlen, den fünften mit grosser Mehrheit. Eine Minderheit würde dagegen lieber zuerst gemeinsam mit der EU einen globalen AIA-Standard vorantreiben und diesen dann in einer allfällig erweiterten Zinsbesteuerung anwenden.

Gespannt auf Semeta

Zum Thema der erweiterten Zinsbesteuerung mit neuen Richtlinien erwartet Widmer-Schlump mehr Aufschluss nächste Woche beim Besuch von EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta in der Schweiz. Sie betonte, dass die Modelle der Schweiz und der EU gleichwertig seien. Sie sei gespannt auf Semetas Ausführungen.

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