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IKRK-Chef Peter Maurer in Gaza.
Legende: «Man muss auch zulassen können, dass man wütend wird», sagt IKRK-Chef Peter Maurer anlässlich seines Besuches in Gaza. Twitter

Schweiz «Ich habe noch nie so massive Zerstörungen gesehen»

Die Zerstörung und das Leid im Gazastreifen sei enorm, sagt IKRK-Chef Peter Maurer. Er macht sich ein Bild der Lage vor Ort.

SRF: Wie erleben Sie die Situation im Gazastreifen?

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Peter Maurer: Die Zerstörung ist gewaltig. So etwas habe ich noch nie gesehen. Ich habe unzählige Opfer mit schweren Verletzungen in verschiedenen Spitälern besucht. Das Leid ist immens. Auf der anderen Seite habe ich aber auch erlebt, dass die Leute ihr Leben wieder beginnen, obwohl die Waffenruhe erst seit ein paar Stunden in Kraft ist. Die Strassen füllen sich wieder mit Leben und einzelne Läden sind geöffnet.

Was brauchen die Leute am dringendsten, wo kann das IKRK am besten helfen?

Die medizinische Versorgung ist die dringendste Angelegenheit. Es gibt immer noch Tausende Schwerverletzte. Viele Leichen sind noch nicht geborgen und liegen noch unter den Trümmern. Es drohen Seuchengefahren. Die Leute brauchen aber auch Elektrizität und Wasser. Wir sind daran, die ersten Wasserleitungen zu flicken und die Elektrizitätsversorgung wieder herzustellen. In den Verhandlungen mit Israel müssen wir zudem sicherstellen, dass der Gazastreifen wieder mit Gütern beliefert wird.

Angesichts dieser Zerstörung und des Leids, wie neutral kann man als humanitärer Helfer bleiben?

Peter Maurer

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Der Schweizer Diplomat war von 2004 bis 2010 Chef der Ständigen Mission der Schweiz bei der UNO. Danach war er Staatssekretär im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten. Seit dem 1. Juli 2012 ist Maurer Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz.

Wir konzentrieren uns auf unser Mandat: Den Opfern zu helfen und sie, wo möglich, zu schützen. Auf der anderen Seite muss man auch zulassen können, dass man wütend wird, wenn man das sieht, was ich gestern gesehen habe. Natürlich stellen sich auch grundsätzliche Fragen wie diejenige, warum die Internationale Gemeinschaft nach Jahrzehnten immer noch nicht fähig ist, eine politische Lösung im Konflikt zwischen Israel und Palästina zu finden.

Dennoch hat das IKRK zum aktuellen Konflikt deutliche Worte gefunden. Auch an die Adresse Israels ging der deutliche Aufruf, das Töten und die Zerstörung müsse aufhören. Inwiefern ist das noch neutral und objektiv?

Neutral zu sein bedeutet nicht, dass man keine klaren Worte findet. Im Gegenteil: Es bedeutet, dass wir klare, unmissverständliche Worte an alle Beteiligten, die das internationale humanitäre Völkerrecht missachten, richten. Tatsächlich ist es so, dass wir wegen den massiven Bombardierungen des Gazastreifens sehr intensive Gespräche mit Israel führen.

Was ist Ihre Einschätzung, wird die Waffenruhe halten?

Wir sind froh, dass sie nun offenbar bereits 24 Stunden gehalten hat und wir hoffen, dass sie auch weiterhin hält.

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