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Schweiz Imam-Ausbildung – Rezept gegen Radikalisierung?

Kürzlich wurde in Winterthur ein Imam wegen Aufruf zum Mord verhaftet. Dabei sollten Imame Vorbeter, Vorsteher und Vorbilder sein. Muslime in der Schweiz fordern deshalb schon lange einen Lehrgang. Wer sind die Imame hierzulande – und wer kontrolliert sie? Ein Blick hinter die Mauern der Moscheen.

Das Jobprofil Imam, ein 24-Stunden-Job: «Ein Imam ist Prediger, Lehrer, Brückenbauer, Seelsorger. Eine vielfältige und sehr herausfordernde Rolle», sagt Sakib Halilovic, Imam im bosnisch-islamischen Zentrum in Schlieren.

Er ist einer von rund 200 Imamen, die in der Schweiz predigen. Die meisten kommen vom Balkan oder der Türkei. In der hitzigen Debatte um Islam und Integration ist die Rolle der muslimischen Geistlichen zum Politikum geworden: Sie gelten als Schlüsselpersonen für oder gegen die Radikalisierung.

Anfang November wurde in der Winterthurer Moschee An-Nur ein äthiopischer Imam inhaftiert. Er soll öffentlich zum Mord aufgerufen und ohne Bewilligung in der Schweiz gepredigt haben. Aber: «99 Prozent der Imame in der Schweiz sind nicht radikal», sagt Sakib Halilovic. Er selbst ist schweizerisch-bosnischer Doppelbürger. Extremistische Prediger fänden den Weg in die Moscheen meist über andere, illegale Wege und gehörten auch nicht zu den Vollzeit-Imamen.

Nur wenige Imame registriert

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) kennt nur die Anzahl der Imame, die für ihre Arbeit aus Drittstaaten einreisen und offiziell ein Arbeitsgesuch als «religiöse Betreuungsperson» einreichen. Sie unterliegen dem Kontingent der Fachkräfte. Bund und Kantone prüfen ihre Arbeitsgesuche. Das gilt für Prediger aller Religionsgemeinschaften.

Die Voraussetzungen: Ein religiöser Hochschulabschluss und Sprachkenntnisse auf Niveau B1. Zudem müssen die Geistlichen mit den gesellschaftspolitischen Verhältnissen der Schweiz vertraut sein und dürfen die öffentliche Sicherheit nicht gefährden. Die Behörden bewilligen nur vollamtliche Gesuche. Wer als Tourist einreist mit der Absicht, hier zu predigen, handelt illegal – selbst wenn er dies ohne Lohn tun will.

Die grosse Mehrheit der Imame reist hingegen nicht mit behördlichem Wissen in die Schweiz. Imame, die als EU-Bürger, als Asylsuchende oder via Heirat einreisen, registriert der Bund nicht.

Türkei schickt eigene Imame

«Import-Imame» – insbesondere Vorbeter aus der Türkei sorgen diesbezüglich für Schlagzeilen. Denn die Türkei schickt Imame in die Schweiz, die ihr Salär von der türkischen Religionsbehörde Diyanet erhalten. Es handelt sich also um vom türkischen Staat ausgebildete Religionsmänner, die in der Schweiz predigen.

Weil der Bund drei Jahren die Obergrenze für die türkischen Imame aufhob, hat sich die Zahl auf 36 verdoppelt. Braucht ein türkisch-islamischer Verein in der Schweiz einen Imam, stellt er ein Gesuch. «Früher hatte es zu wenig Imame. Heute ist der Bedarf an türkischen Imamen in der Schweiz mehrheitlich gedeckt», sagt Ferhan Cirit, Vertreterin von Diyanet in der Schweiz.

Es sei den Imamen verboten, hier in der Moschee zu politisieren. Jedoch: Auf den sozialen Plattformen zeigen sich türkische Imame als glühende Erdogan-Anhänger. Private Meinungen kontrolliere man nicht, heisst es seitens der türkischen Religionsbehörde. Das Entsenden von türkischen Imamen bewähre sich seit 30 Jahren – sei also lang vor Erdogan eingeführt worden. «Wir sind darauf angewiesen, weil es einerseits keine Ausbildungsmöglichkeiten in der Schweiz gibt und anderseits an Schweizer Imam-Nachwuchs fehlt», sagt Cirit.

Ausbildungsmöglichkeiten gefordert

Viele Muslime wünscht sich eine Ausbildung für ihre Imame in der Schweiz, schon seit Jahren. Die Forderung aber ist umstritten. So bietet das Zentrum für Islam und Gesellschaft der Universität Fribourg keine Islam-Lehrgänge an, aber Weiterbildungen, etwa in der Seelsorge.

Die lokale SVP bekämpft das Institut seit seiner Gründung Anfang 2015. «Punkto Imam-Ausbildung sind pragmatische Lösungen gefragt», sagt Hansjörg Schmid, Leiter des Zentrums. Man könne die hiesigen Imame nicht einfach austauschen mit neuen, besser Integrierten. Auch, weil kaum junge Muslime in der Schweiz Imam werden möchten. Die EVP-Nationalrätin Maja Ingold fordert nun vom Bundesrat, Ausbildungsmöglichkeiten für Imame in der Schweiz zu skizzieren.

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