Im 19. Jahrhundert lehnte das Schweizer Volk ein Schulgesetz mit zentraleidgenössischem Schulvogt deutlich ab. Die Zeiten haben sich geändert, die Mobilität ist gestiegen. Und es war 2006 das Volk, das die Bildungsdirektoren an den Verhandlungstisch zwang. Es schrieb via Volksabstimmung einen Bildungsartikel in die Verfassung. Bildungspolitiker, Erziehungswissenschafte, Lehrpersonen haben jahrelang über einem gemeinsamen Lehrplan gebrütet.
Nach 140 Jahren nun ein Vorschlag
Dieser liegt nun vor. Der Präsident des Dachverbandes der Lehrerinnen-und Lehrer, Beat Zemp, betrachtet dies als historische Entwicklung: «Vielleicht ist es vergleichbar mit der Einführung der Schulpflicht 1874. Es hat 140 Jahre gedauert, bis sich die 21 Kantone zusammengerauft haben und einen gemeinsamen Lehrplan vorstellen.»
Der neue Lehrplan umfasst 11 Schuljahre (inkl. zwei Jahre Kindergarten) und beschreibt den Bildungsauftrag neu in Form von Kompetenzen. Das bedeutet: Schulstoff gilt erst als erfolgreich behandelt, wenn die Schüler ihn anwenden können.
Wie hart hinter verschlossenen Türen darüber gefeilscht wurde, zeigt sich daran, dass man sich noch nicht einig darüber wurde, wie mit dem zukunftsträchtigen Bereich «Computer, neue Medien» an Volksschulen umgegangen werden soll.
Viel Freiheit für die Kantone
Die Kantone haben sich ausserdem weitreichende Hoheiten zugesichert. Sie stehen zuhause natürlich auch unter Druck, sagt Christian Amsler, Präsident der Erziehungsdirektorenkonferenz. «Man kann ja nicht verhindern, dass in den kantonalen Parlamenten Vorstösse eingereicht werden, das ist so.» Die Kantone dürfen auch weiterhin selbst über Stundenpläne, Benotungssysteme und Fächerkanon entscheiden. Es gibt also noch Potential für künftige, weitergehende Harmonisierungen.
Ein einheitliches Zeugnis und ein einheitlicher Stundenplan wäre nicht nur ein Wunsch vieler mobiler Eltern. Auch den Lehrpersonen würde es das Leben vereinfachen.
SVP mit eigenem Vorschlag
Es zeichnen sich zudem harte pädagogische Auseinandersetzungen ab. Die SVP, die einen eigenen Lehrplan schrieb, bevorzugt einen möglichst starken Volksschullehrer alter Schule. Und die Partei lehnt den Lehrplan 21 als viel zu weitreichend und reglementarisch ab. SVP-Bildungsexperte Ulrich Schlüer sagt dazu: «Wir haben in der Schweiz weder den Einheitsschüler noch die Einheitsklasse. Wir haben junge Menschen vor uns. Da wählt der Lehrer den Weg, wie er dieses Ziel erreichen kann.»
Der Lehrplan 21 geht nun bis Ende Jahr in eine breite Vernehmlassung. Voraussichtlich im Herbst 2014 wird der Lehrplan 21 zur Einführung in den Kantonen freigegeben.