Gut 400 Personen sind am Dienstagabend gekommen, um Roger Köppel in Zürich zuzuhören. Es habe ihn gestört, dass der Bundesrat so negativ auf das Ja zur SVP-Initiative reagiert habe, und die Medien auch. Deshalb hält er nun einen Vortrag. «Wir verkaufen uns schlecht und wir schwächen dadurch unsere eigene Verhandlungsposition. Hier möchte ich Gegensteuer geben», sagt er.
Köppel – im dunklen Anzug und Krawatte – will das Abstimmungsresultat umdeuten. Man spürt, der Mann hat eine Mission. Er will sein Publikum politisch aufklären: Der 9. Februar 2014 sei eine «Sternstunde der direkten Demokratie» gewesen. Dagegen sei der Bilaterale Weg eine Finte, das weitere Vorgehen des Bundesrats in Brüssel beschreibt er so: «Wir werden jetzt diese störrische Schweizer Stimmbevölkerung schrittweise an diese EU heranführen, sie merken das gar nicht. Ein homöopathischer Beitritt.»
An diesem Abend hat der Journalist ein Heimspiel. Er redet weitgehend frei, wirkt locker und geniesst seinen Auftritt sichtlich. Das Publikum – überwiegend männlich, «Weltwoche»-Leser, im Durchschnitt zwischen 50 und 70 Jahre alt – musste gar nicht erst überzeugt werden. Ja, sie seien bereits überzeugt an den Vortrag gekommen, sagen ein paar Befragte.
«Sollte bei den Tatsachen bleiben»
Ausserhalb der «Weltwoche»-Leserschaft polarisiert der ehemalige Chefredaktor des «Tages-Anzeiger»-Magazins und der «Welt» in Deutschland. Spricht man im Bundeshaus mit Politikern über ihn, kann es auch ganz anders klingen. CVP-Nationalrätin Kathy Riklin sagt beispielsweise: «Es ist gut, wenn sich die Leute mutig und klar profilieren, aber sie sollten bei den Tatsachen bleiben und sie sollten nicht versuchen, andere Menschen kaputt zu machen.»
Und BDP-Nationalrat Hans Grunder ergänzt: «Er ist von einer Ideologie geblendet und er betrachtet nicht mehr objektiv, was in der Welt vor sich geht.» Diese beiden Mitte-Politiker wurden von der «Weltwoche» schon angegriffen.
BDP-Nationalrat Grunder etwa diskreditierte die Zeitung als «Windfahne», wie andere gemässigte Bürgerliche. Das ist der Stil der «Weltwoche»: Sie teilt gegen alle aus, die ihren rechts-konservativen Kurs nicht teilen.
Ein geistiger Sohn Blochers
Allein gegen alle anderen: Diese Haltung teilt Roger Köppel mit der SVP. Christoph Blocher ist eine Art geistiger Vater für ihn geworden. Die Sympathie ist gegenseitig, wie Blocher sagt: «Ich mag ihn sehr gut. Er ist ein origineller Mensch und eine grosse Bereicherung für unsere Presselandschaft. Das Establishment sagt immer, es lese diese Zeitung nicht, aber was drinsteht, wissen trotzdem alle.»
Journalistenkollegen, die mit ihm zusammengearbeitet haben, beschreiben Köppel als blitzgescheiten Intellektuellen, als fordernden Chef. Politisch habe er sich zunehmend festgebissen: Alles, was gegen den politischen Mainstream gehe, sei gut. Ein ehemaliger Arbeitskollege sagt, ihm komme Köppel vor wie ein Geisterfahrer, der alle anderen als Geisterfahrer bezeichnet.
Im Saal des Hotel Marriott zeigt Köppel derweil seine charmante und selbstironische Seite. Er zitiert den Schriftsteller Mark Twain: «Ein Journalist ist ein Mensch, der sein ganzes Leben darüber nachdenkt, welchen Beruf er eigentlich verfehlt hat.»
Köppel hingegen ist ein Journalist, der wie ein Politiker auftritt und Säle füllt. Will er nun in die Politik? Vorderhand nicht, winkt er ab. Seine Zuhörer würden es auf jeden Fall bedauern. Er könnte sich nicht mehr so prononciert darstellen, befürchten sie.
«Der Welt auf Augenhöhe begegnen»
Immer wieder geht es in seinem Vortrag um die Distanz zur EU. Köppel will seine Botschaft klar und deutlich rüberbringen: «Wir können der Welt auf Augenhöhe begegnen. Ohne falsche Komplexe, dafür werde ich mich auch in Zukunft mit der ‹Weltwoche› einsetzen.»