Eizellenspende für kinderlose Paare, Retter-Babys für Eltern kranker Kinder oder künstliche Befruchtung auch für Single-Frauen. All dies ist für Schweizerinnen und Schweizer bisher nur im Ausland möglich. Nun aber kommt die nationale Ethikkommission mit einem Paukenschlag: Die strengen Schweizer Regeln sollen gelockert werden. Sogar die Leihmutterschaft ist kein Tabu mehr.
Behandlung im Ausland
Tatsächlich hat die Technik der Fortpflanzungsmedizin in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht – und was in der Schweiz verboten ist, machen Paare mit Kinderwunsch immer häufiger im Ausland. «Die derzeitige Grauzone, welche aus dieser Situation entsteht, gibt zu denken», sagt Alberto Bondolfi. Er hat die Arbeitsgruppe der nationalen Ethikkomission geleitet.
Die Empfehlungen, welche die Mehrheit dieser Kommission jetzt macht, haben es in sich. Sie plädiert dafür, fast alle bekannten Techniken der Fruchtbarkeitsmedizin auch in der Schweiz zuzulassen. Neu sollen auch Frauen Eizellen für andere Frauen spenden können. Die Ärzte sollen diese Eizellen genau auf Erbkrankheiten untersuchen.
Leihmütter tragen Embryonen aus
Die guten, aussortierten Zellen dürften sie dann auch auf Vorrat einfrieren. Und wenn Embryonen, also frisch befruchtete Eizellen bei einer Fruchtbarkeitsbehandlung übrigbleiben, so sollen sie an andere Eltern weitergegeben werden können.
Auch sogenannte Retterbabys will die Kommission zulassen. Einem Kind, das gezeugt wird, um sein Geschwister zu retten, geschehe ja nichts, sagt der Theologe Bondolfi. «Es wird nicht in den Papierkorb geworfen.» Es werde ganz normal erzogen.
Selbst das Verbot der sogenannten Leihmutterschaft, bei der ein Kind im Bauch einer anderen Frau ausgetragen wird, findet die Mehrheit der Kommission zu strikt. Bondolfi argumentiert mit dem Beispiel einer Frau, die für ihre Schwester ein Kind austrägt: «Das könnte ein Zeichen der Hilfe und der Zuneigung sein.»
Kritiker: Nicht alles soll möglich sein
Der Ethikerin Ruth Baumann Hölzle gehen die meisten Vorschläge der Ethikkommission zu weit. Sie war bis jetzt ebenfalls Mitglied der Kommission, wurde aber meist überstimmt. Das 60-seitige Gutachten sei zu schnell entstanden und weise Lücken auf, sagt sie. So fehlten etwa klare Stellungnahmen gegen gewisse Praktiken im Ausland, die man in der Schweiz vermeiden möchte: «Etwa diese Frauenfarmen in Indien oder die bezahlte Embryonen- und Eizellenspende.»
Die Ethikerin kritisiert die starke Kommerzialisierung der Fruchtbarkeitsmedizin. Es gehe nicht an, dass arme Frauen ihre Eier verkauften, ihre Gebärmutter vermieteten und dabei eventuell sogar Schaden nähmen, nur damit sich reiche Frauen ihren Kinderwunsch erfüllen könnten.
Am Schluss wird sich das Volk dazu äussern
Ein Teil der Empfehlungen der Kommission wird jetzt in die laufende Gesetzesrevision einfliessen. Ein anderer Teil, wie etwa die Leihmutterschaft oder der Vorschlag, dass neu auch alleinstehende Frauen sich ihren Kinderwunsch per künstliche Befruchtung erfüllen lassen können – ist als Diskussionsanstoss für den Bundesrat gedacht. Das letzte Wort bei fast all diesen Entscheidungen wird letztlich aber die Bevölkerung haben.