SRF: Was stört Sie an der derzeitigen Debatte?
Mir fehlt schon seit langem die Einbettung der Bahn in übergeordnete Ziele. Es geht um die Fragen: Was kann die Bahn zur Umsetzung der neuen Raumordnung beitragen? Was soll sie zu Standortgunst beitragen? Was zur ökologischen Mobilität? Und welches sind eigentlich die Rahmenbedingungen, die dazu gehören, damit die Bahn leisten kann, was man von ihr erwartet.
Was verstehen Sie unter Rahmenbedingungen? Geht es da einfach ums Geld?
Nein, es wären vor allem nicht monetäre Rahmenbedingungen. Ich spreche über die Weiterentwicklung der Raumplanung. Hier haben wir Entscheide beispielsweise in Bezug auf die Innenverdichtung, das Raumkonzept Schweiz oder die Koordination mit dem Ausbau des Strassennetzes. In den Städten ist der öffentliche Verkehr extrem erfolgreich. Vor allem auch, weil die Städte eine restriktive Parkraumpolitik betreiben. Diese Rahmenbedingung kann zum Erfolg beitragen.
Ihnen fehlt es an Grundsätzlichem in dieser Debatte?
Für mich mutet die Diskussion technokratisch an mit einem sehr starken regionalpolitischen Einschlag.
Die Zürcher S-Bahn hat die Zersiedlung beschleunigt. Wäre das unmöglich, wenn man künftig mehr auf die Raumplanung abstellen würde?
Die Zersiedlung geschieht nicht, weil die Menschen gerne aus der Stadt rausziehen. Mehrheitlich müssen sie rausziehen. Die S-Bahn trägt selbstverständlich dazu bei, dass das Einzugsgebiet der Stadt grösser wird. Wenn wir aber auf die einzelnen Gemeinden zoomen, stellen wir fest: Die Besiedlung konzentriert sich um die S-Bahn-Haltepunkte. Es ist ein sehr wirksames Instrument, um eine geordnete und konzentrierte Nutzung des Raums zu ermöglichen.
Die grosse Mehrheit der Bevölkerung lebt im Mittelland. Muss man dort für die Pendler das meiste Geld einsetzen?
Das Geld muss man in die Bereiche der Bahn investieren, in denen sie stark ist. Das ist dort, wo die Bahn schnell ist, wo sie viele Menschen auf knappem Raum befördert und wo sie schwere Güter über lange Distanzen transportiert. Eine Investition in den Agglomerationsverkehr ist daher ganz sicher richtig.
Wenn man sich auf die Zentren konzentriert, werden die abgelegenen Regionen vernachlässigt.
Das darf nicht sein. Der öffentliche Verkehr hat die Aufgabe, die Grundversorgung für Mobilität des ganzen Landes sicher zu stellen. Damit ist es kein Gegensatz zum Bahnausbau in den Agglomerationen. Wir müssen allerdings sehr vorsichtig sein. Wir müssen trotz Folgekosten der Investition noch die Feinerschliessung gewährleisten. Ein Abbau der Feinerschliessung wäre sehr gefährlich. Der öffentliche Verkehr bleibt auf die Zubringer aus den Regionen angewiesen.
Damit sind wir wieder beim Geld. Wieso soll die Strasse die Bahn mitfinanzieren?
Das ist eine gute und berechtigte Frage. Sie wurde letztlich politisch beantwortet. Ich sehe zwei Gründe: Erstens kann die Bahn dazu beitragen, die Strasse zu entlasten. Zweitens stellt die Bahn die Grundversorgung sicher, die auch Autonutzern zugutekommt.
Das Parlament richtet mit der grossen Kelle an. Der Ständerat hat Investitionen von über 6 Milliarden Franken beschlossen. Der Nationalrat will es ihm gleich tun. Müsste man nicht mehr sparen?
Ich bin besorgt. Nicht darum, wie man das Geld auftreiben soll. Da wird die Politik erfinderisch sein. Aber ich bin besorgt, weil die Folgekosten dieser Investitionen wieder beim öffentlichen Verkehr ankommen werden. Für mich ist es eine sehr ernsthafte Perspektive, dass wir am Ende teure Infrastrukturen haben und uns die Zugfahrten nicht mehr leisten können.
Das Gespräch führte Ursula Hürzeler.