Es soll das Wunderheilmittel gegen verstopfte Innenstädte, überfüllte Autobahnen und überfüllte Züge sein: Mobility Pricing – eine konsumabhängige Verkehrsgebühr für die Strasse und die Schiene. Wie das in der Schweiz funktionieren könnte und ob, diskutieren heute Fachleute unter der Leitung von Verkehrsministerin Doris Leuthard.
SRF: Was bedeutet Mobility Pricing?
Géraldine Eicher: Wer viel fährt, insbesondere zu Stosszeiten, soll auch entsprechend dafür bezahlen – egal, ob auf der Strasse oder mit der Bahn unterwegs. Damit verbinden viele die Hoffnung, dass auch der Verkehr gelenkt und Stauspitzen gebrochen werden können.
SRF: Können damit Staus zu Stosszeiten tatsächlich verhindert werden?
Staus verhindern kaum aber zumindest Engpässe. Wenn es mehr aufs Portemonnaie geht, wird vielleicht auf unnötige Fahrten verzichtet oder man fährt eher vor oder nach der üblichen Stosszeit los. Nach diesem Prinzip funktioniert bei der SBB schon heute die günstigere Neun-Uhr-Tageskarte.
SRF: Die beliebten Reisezeiten würden demnach teurer. Geht es also vor allem um die Finanzierung des Verkehrs oder um die Steuerung?
In der Schweiz soll Mobility Pricing der Verkehrssteuerung dienen. Die Finanzierung bei der Bahn wurde unlängst neu geregelt mit einem 6,5-Milliarden-Ausbau in den nächsten Jahren. Bei der Strasse ist man zurzeit daran, den Ausbau und die zukunftsfähige Finanzierung zu regeln. Wo es aber definitiv harzt und Lösungen braucht, ist zu Stosszeiten auf Schiene und Strasse. Hier braucht es Lösungen.
SRF: So müssten also Menschen aus den Agglomerationen oder Pendler tiefer in die Tasche greifen?
Ja, wenn sie viel und zu Stosszeiten mit Auto, Bahn oder Bus unterwegs sind. Sonst würde ja die lenkende Wirkung verpuffen. Grundsätzlich höhere Gesamtkosten dürften aber wegen Mobilty Pricing für die Schweizerinnen und Schweizer nicht entstehen, denn sonst hätte die Idee politisch nie eine Chance. Inhaltlich ist noch völlig offen, wie Mobility Pricing ausgestaltet sein könnte. Ob ein solches System kommen soll, ist noch nicht spruchreif.
SRF: Länder wie Österreich, die Niederlande oder Schweden haben positive Erfahrungen gemacht. Warum ist es in der Schweiz so schwierig?
In der Schweiz fehlt ganz einfach die Notwendigkeit, weil die Finanzierung auf solide Pfeiler gestellt ist oder gerade wird, was die Strasse betrifft. Fehlt aber wie im Ausland das Geld, steigt der Druck zugunsten solcher Systeme wie etwa das Road Pricing und sie werden salonfähig. Zugleich ist ein Mobility Pricing viel umfassender als das Road Pricing. Es würde in der Schweiz auch die öffentlichen und privaten Bahnen einbeziehen, aber auch Städte und Kantone und vielleicht sogar Versicherungen. Das wäre in einem Land mit freier Wirtschaft und einem föderalen System ohnehin nicht einfach.
SRF: Verkehrsministerin Leuthard lanciert heute die Pläne, wie konkret sind sie?
Noch gar nicht konkret: 2015 soll das Uvek gemäss Legislaturplanung einen Bericht erstellen. Bis zu einem allfälligen Mobility Pricing werden also noch Jahre vergehen. Denkbar ist eine schrittweise Einführung, wie es das Bundesamt für Strassen schon vor einigen Jahren vorgeschlagen hat. Denn grosse Brocken haben es in der Regel schwer in der Schweiz und kleine sind verdaulicher.