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Schweiz Mord in Payerne wirft immer mehr Fragen auf

Nach der Tötung einer 19jährigen gerät der Justizvollzug im Kanton Waadt immer mehr in die Kritik. Gab es Probleme bei den internen Abläufen, wurde ein Fehlentscheid getroffen? Die Forderung nach einer nationalen Regelung des Justizvollzugs nimmt erneut Gestalt an.

Der Strafvollzug des verurteilten Mörders ist schnell erzählt. Zunächst wird ihm eine bedingte Entlassung zwei Mal verwehrt. Im August 2012 entscheidet die Strafvollzugsbehörde dann, dass der Mann den Rest der Strafe im Hausarrest absitzen könne.

Im November schlägt die Bewährungshilfe Alarm: Der Mann habe Morddrohungen gegen Arbeitskollegen ausgestossen. Das Amt für Strafvollzug steckt den Mann wieder ins Gefängnis. Auf einen Rekurs des Täters hin, kommt er erneut in Hausarrest.

Am Montag entführt der Mann eine 19jährige Frau. Ihre Leiche wird am Mittwoch in der Nähe von Châtonnaye (FR) gefunden.

Entlassungen schwächen Behörde

Noch immer sind viele Fragen unbeantwortet, die Autopsie-Ergebnisse nicht veröffentlicht. Kritische Fragen müssen sich auch die Waadtländer Justizbehörden gefallen lassen. Denn es gibt im kantonalen Justizvollzug einigen Handlungsbedarf, das sagen auch Experten.

Eine Gefängniszelle wird geöffnet.
Legende: Der Strafvollzug im Kanton Waadt kämpft mit verschiedensten Problemen. Keystone

Der Kanton hat grosse Gefängniskrisen hinter sich: überfüllte Haftanstalten, Fluchten, Meutereien. Das hat dazu geführt, dass die Politik innerhalb kurzer Zeit viele Kaderleute entlassen hat. «Mit dem Resultat, dass es immer mehr Kader gab, die wenig Erfahrung haben. Doch der Strafvollzug lebt von Erfahrung», sagte Strafrechtsexperte Benjamin F. Brägger gegenüber SRF.

Dieses Problem beschäftigt die parlamentarische Aufsichtskommission des Kantons bereits länger. Seit einem Jahr hat man wegen mangelnder Personalführung 18 Abgänge beim Gericht für Massnahmen- und Strafvollzugsgericht verzeichnet, wie «Schweiz aktuell» berichtete.

Schlechtes Arbeitsklima bei Gericht

Nicola Mattenberg ist überzeugt, dass das Arbeitsklima bei Gericht schlecht gewesen sei. Mattenberg sitzt in der Aufsichtskommission des Grossen Rats. «Die Dossiers können in einem solchen Arbeitsklima nicht unter guten Bedingungen behandelt worden sein.»

Zusätzlich stellt sich die Frage, ob ein einzelner Richter über einen so schweren Fall entscheiden soll? Mattenberg spricht sich in diesem Zusammenhang für eine Justizreform aus. Ein Gremium solle entscheiden und kein einzelner Richter.

Politik sieht Reformbedarf

Doch nicht nur kantonal stellt sich die Frage nach Reformen. SP-Nationalrat Daniel Jositsch will die Diskussion erneut auf nationaler Ebene führen. Er will den Justizvollzug teilweise an den Bund delegieren. Aus diesem Grund werde er in der nächsten Session eine Motion einreichen, wie er in der Sendung «10vor10» ankündigte.

Jositsch will national regeln, welche Täter unter welchen Bedingungen und wann früher aus der Haft entlassen werden, und wer darüber entscheidet. Diese Forderung stösst bei den Kantonen nicht nur auf Gegenliebe. Für Martin Graf, Justizdirektor des Kantons Zürich, ist das Sache der Kantone. Das Hauptproblem sei die Einschätzung der Gefährlichkeit einer Person und in dem Zusammenhang die Aus- und Weiterbildung der Verantwortlichen im Strafvollzug. Die Kantone versuchten dies nun gemeinsam anzugehen und so weit als möglich zu vereinheitlichen.

Es gibt also verschiedene Ansätze, um die Probleme im Justizvollzug auszuräumen. Ob und welche Fehler rund um das Tötungsdelikt passiert sind, soll nun eine Untersuchung klären.

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