Der Ständerat hält nichts von der Idee, Kleindealer drastisch zu bestrafen. Er hat eine Motion aus dem Nationalrat diskussionslos abgelehnt, die verlangte, dass jede Form des Drogenverkaufs mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten geahndet wird. «La Motion est liquidée», hiess es deshalb von Ständerats-Vizepräsident Stéphane Rossini.
Gleich – nur in Italienisch – tönte es letztes Jahr, als der Nationalrat ein nationales Vermummungsverbot verlangt hatte. «La mozione e dunque liquidata», sagte Ständeratspräsident Filippo Lombardi damals. Genauso erging es den Forderungen nach vorsorglichen DNA-Tests bei Asylsuchenden oder nach Ausschaffungs-Zügen nach Italien.
Ich ärgere mich masslos!
Der Nationalrat stimmt regelmässig für Härte, fürs Durchgreifen und ebenso regelmässig versenkt der Ständerat diese Forderungen wieder. Das frustriert Nationalräte wie SVP-Vizepräsident Luzi Stamm: «Ich ärgere mich masslos über die Ständeräte, die punkto Sicherheit nicht energisch durchgreifen.»
Viel wertvolle Zeit geht verloren
Umgekehrt ärgern sich auch die Ständeräte über die Nationalräte: Diese würden viel Leerlauf produzieren, sagt FDP-Ständerätin Karin Keller-Sutter: «Damit wird viel Zeit konsumiert, die wir eigentlich für wichtige Gesetzesarbeit brauchen würden.» Das sei ärgerlich. Denn jeder Vorstoss müsse in den Kommissionen aufwendig vorberaten werden, obwohl die meisten am Schluss chancenlos seien.
Keller-Sutter war früher St. Galler Sicherheitsdirektorin und gilt als Frau der harten Linie; aber sie hält viele Forderungen des Nationalrats für zu wenig durchdacht. So werde etwa versucht, dem mangelhaften Vollzug mit neuen Gesetzen beizukommen. Sie nennt das Beispiel der Forderung nach einem schweizweiten Vermummungsverbot nach Ausschreitungen in Bern – obschon der Kanton Bern eigentlich bereits ein solches Verbot hatte.
Ständerat korrigiert Schnellschüsse
Tatsache ist: Der Ständerat stimmt in Sicherheits- und Ausländerfragen gemässigt. Das hat mehrere Gründe. So ist die kleine Kammer bei den letzten Wahlen etwas nach links gerückt. Doch wichtiger ist der zweite Grund: Ständeratswahlen sind Mehrheitswahlen. Wer gewählt werden will, benötigt ein absolutes Mehr. Da haben eingemittete Politiker die besten Chancen.
Der Nationalrat sei die Volkskammer, erklärt der Bündner alt Regierungsrat Stefan Engler von der CVP. Seine Aufgabe bestehe unter anderem auch darin, Themen aufzugreifen, die in weiten Teilen der Bevölkerung Empörung auslösten. «Es ist dann am Ständerat zu beurteilen, ob es sich nur um die Bewirtschaftung einer Empörung handelt, oder um ein wirkliches Problem, das man als Gesetzgeber anzugehen hat.»
Der Nationalrat prescht vor – der Ständerat bremst
So entsteht das typische Muster: Der Nationalrat prescht vor in Ausländer- und Kriminalitäts-Fragen, der Ständerat pfeift ihn zurück. Das treffe aber nicht immer zu, entgegnet CVP-Nationalrat Gerhard Pfister. Bei der Einbürgerung etwa habe der Nationalrat gestern den Ständerat auf eine strengere Position gezwungen.
Doch Pfister gibt auch bemerkenswert offen zu, dass es manchmal gut sei, wenn der Ständerat korrigierend eingreife. Auch er selber sage manchmal Ja zu Vorstössen, die nicht über allen Zweifel erhaben seien, so Pfister.
Selbst SVP-Vizepräsident Stamm sagt, es sei richtig, wie es laufe: «Am heutigen System sollte man überhaupt nichts ändern.» Das schweizerische Politiksystem verunmögliche unbedachte Schnellschüsse. «Das ist enorm positiv.» Die Bremswirkung des Ständerats kommt selbst manchen Gebremsten also gar nicht so ungelegen.