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Schweiz Nationalrat will Opfer vor entlassenen Straftätern warnen

In vielen Kantonen erfahren Opfer von schweren Gewalt- oder Sexualstraftaten nicht, wann der Täter aus dem Gefängnis entlassen wird. Sie wissen nie, ob sie ihm nicht plötzlich begegnen könnten. Das soll sich ändern, findet die zuständige Kommission des Nationalrats.

Blick auf ein Gefängnisgebäude. Gittertor.
Legende: Plötzlich ist der Täter entlassen – und begegnet seinem Opfer vielleicht auf der Strasse. Keystone

Opfer von Straftaten sollen darüber informiert werden, wenn der Täter flüchtet, vorzeitig entlassen wird oder Hafturlaub erhält. Der Bundesrat unterstützt entsprechende Vorschläge der Rechtskommission des Nationalrats.

Der Gesetzesentwurf hat zum Ziel, dass Opfer und weitere von einer Straftat betroffene Personen nicht nur über das laufende Strafverfahren, sondern auch über wesentliche Entscheide zum Strafvollzug des Täters oder über dessen Flucht informiert werden. Damit sollen sie vor unerwarteten und unerwünschten Begegnungen geschützt werden.

Kanton St. Gallen schon voraus

Das ist wichtig für Opfer, findet auch Doris Vetsch. Ihre Tochter wurde vor vielen Jahren überfallen und schwer missbraucht. Der Täter sitzt seither hinter Gittern. Vetsch hat nach dem Übergriff die Verwahrungsinitiative mit-initiiert.

Sie erhält bereits heute Informationen über den Täter und weiss, er könnte bald freikommen. Für Doris Vetsch sind diese Infos wichtig, damit sie sich seelisch darauf vorbereiten und Vorkehrungen treffen kann, wie sie der «Tagesschau» verrät.

Ein Kanton, der den Opfern die Informationen schon seit vielen Jahren weitergibt, ist St. Gallen. Laut dem Leiter Strafvollzug, René Frei, heisst dies, dass die Opfer über einen Unterbruch des Strafvollzugs, über einen Ausgang, über eine Flucht oder eine bedingte Entlassung informiert werden.

Interessen der Betroffenen im Vordergrund

Der Vorschlag des Bundesrats sieht vor, dass der Täter angehört wird, bevor Informationen über ihn herausgegeben werden. Ihm sollen keine persönlichen Rache-Akte drohen. Im Kanton St. Gallen ist man damit nicht einverstanden. Der Täter wird hier nicht informiert.

Auch der Bundesrat verlangt, dass vor einer Information eine umfassende Abwägung der Interessen des Täters und jener der Opfer respektive der Angehörigen vorgenommen wird. Der Entwurf sieht eine Verweigerung oder einen Widerruf der Informationsrechte nur dann vor, wenn der Verurteilte einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre.

Der Entwurf geht nun mit den Änderungsvorschlägen des Bundesrats an den Nationalrat.

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