Nicht nur die USA machen Druck auf die Schweiz, um an unversteuertes Geld heranzukommen. Auch die EU möchte bekanntlich ihre Steuerflüchtlinge in der Schweiz besser packen können – und Steuerflucht künftig am liebsten ganz unterbinden. Mit einem automatischen Informationsaustausch, wie sie ihn kennt.
Besitzt zum Beispiel eine Französin ein Bankkonto in Irland, so informiert die irische Bank die französische Steuerbehörde über die wichtigsten Einkünfte und Vermögenswerte der Frau. Jetzt will die EU-Kommission diesen Austausch noch ausweiten. Die EU-Länder sollen einander noch mehr Finanzinformationen liefern.
SRF: Urs Bruderer in Brüssel, warum eigentlich diese Verschärfung?
Urs Bruderer: Weil der automatische Informationsaustausch, den manche fürchten wie ein gefährliches Biest, in Wirklichkeit ein noch ziemlich unaufmerksames Tierchen ist. Konkret: EU-Bürger können ihr Geld trotz des Informationsaustausches immer noch ziemlich leicht in einem anderen EU-Land vor dem Fiskus verstecken. Sie brauchen ihr Geld zum Beispiel nur in Wertschriften oder Lebensversicherungen anzulegen. Diese Schlupflöcher will die EU jetzt stopfen.
Die Schlupflöcher sind ja schon lange bekannt, warum soll es nun plötzlich so schnell gehen?
Die EU wittert jetzt Morgenluft. Das liegt einmal mehr an den Amerikanern. Die haben mit ihren Fatca-Abkommen ausländische Banken faktisch zu ziemlich weitgehendem Informationsaustausch bezüglich der US-Kunden gezwungen. Solche Fatca-Abkommen haben nicht nur die Schweizer unterzeichnet, sondern auch die EU-Staaten. Ausserdem steht in den EU-Richtlinien, was ein EU-Staat einem Drittland – zum Beispiel den USA – in Sachen Informationsaustausch gewährt, das muss er auch den EU-Partnern gewähren. EU-Länder kommen also an diesem erweiterten Informationsaustausch kaum mehr vorbei.
Das glaube ich nicht. Zum einen gibt es ganz viele gewiefte Anwälte, die immer wieder neue Schlupflöcher entdecken. Und ausserdem gibt es weiterhin das grosse Schlupfloch Ausland. Auch wenn EU-intern der Informationsaustausch verschärft wird, können EU-Bürger ihr Geld immer noch in Asien oder in der Karibik in einer Steueroase verstecken.
Oder auch in der Schweiz?
Das ist richtig. Aber mit der Schweiz wird die EU demnächst in Verhandlungen treten. Die EU wird dabei auf eine mit dem automatischen Informationsaustausch vergleichbare Lösung drängen. Sie wird eine möglichst weitgehende Form von Informationsaustausch durchsetzen wollen. Und die EU setzt sich auch dafür ein, dass ihr Informationsaustausch – möglichst der starke, scharfe, den sie nun vorgestellt hat – zu einem internationalen Standard wird. Sie tut das im Rahmen der G8, der G20 und der OECD. Die EU wird die Schweiz also direkt in Verhandlungen und indirekt über internationale Organisationen in die Mangel nehmen können. Mein Tipp ist: Sich dem Informationsaustausch verweigern, das können sich langfristig nur Länder leisten, die sich nicht vor Plätzen auf schwarzen Listen fürchten.
Noch ist es nicht so weit, schliesslich ist das ja erst ein Vorschlag der EU-Kommission. Jetzt müssen die einzelnen EU-Länder darüber befinden. Denken Sie, die werden damit einverstanden sein?
Ich sehe zwei Probleme. Zum einen könnten Länder wie etwa Grossbritannien den Vorschlag als eine Richtlinie interpretieren, die auf mehr Macht für Brüssel hinausläuft. Und dann sind da die beiden Bankgeheimnisländer Luxemburg und Österreich, die noch nicht bereit sind, den Informationsaustausch zu erweitern, solange nicht ein wichtiger Konkurrent wie die Schweiz etwas Ähnliches akzeptiert. Das bedeutet umgekehrt auch, dass der Druck auf die Schweiz in den Verhandlungen mit der EU in dieser Sache erheblich wächst.
Das Interview mit SRF-Korrespondent Urs Bruderer in Brüssel hat Nathalie Christen geführt.