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Nicoletta della Valle vor den Medien.
Legende: Fedpol-Chefin Nicoletta della Valle: Auf lokaler Ebene aufmerksam sein, in Familien und Ausbildung. Keystone

Schweiz «Nummer 117 ist unsere nationale Hotline»

Die Schweiz prüft, ob potenzielle Dschihadisten an der Ausreise gehindert werden sollen. Mit Blick auf ein Risiko von Anschlägen im Inland sei das «zweischneidig», sagt Fedpol-Chefin Nicoletta della Valle. Wichtig sei die Sensibilisierung auf lokaler Ebene. Eine nationale Hotline sei überflüssig.

Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) und der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) sind aktuell mit rund 70 konkreten Fällen von dschihadistisch motiviertem Terrorismus konfrontiert. Fedpol-Chefin Nicoletta della Valle betont im SRF-Interview, dass die Sensibilisierung aller Überwachungsstellen laufend verbessert werde.

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SRF News: Der Bund prüft jetzt als einzige weitere Massnahme eine Ausreisesperre für mutmassliche Dschihadisten. Reicht das?

Nicoletta della Valle: Es ist nur eine von vielen Massnahmen. Die Ausreisesperre wird vertieft geprüft, weil sie sehr zweischneidig ist. Denn einen gewaltwilligen Dschihad-Reisenden an der Ausreise zu hindern, könnte möglicherweise das Risiko eines Anschlags durch den Betreffenden in der Schweiz erhöhen.

Sind auf polizeilicher und nachrichtendienstlicher Ebene die Möglichkeiten ausgeschöpft?

Nein. Aber es ist nicht nur gut, was neu ist. Wie haben gute und bewährte Strukturen und verstärken die enge Zusammenarbeit und die Sensibilisierung weiter. Viel funktioniert sehr gut. Was die immer wieder geforderte nationale Hotline betrifft, so haben wir bereits eine solche: Auf der Polizeinotrufnummer 117 kann jedermann anrufen und landet dabei nicht bei einer anonymen Bundesstelle, sondern bei der lokalen Polizei.

Nicoletta Della Valle

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Nicoletta Della Valle
Legende: Keystone

Seit dem 1. 8. 2014 ist sie Direktorin des Bundesamtes für Polizei (Fedpol). Vorher arbeitete sie als Direktorin Dienste und Betriebe bei den Universitären Psychiatrischen Diensten des Kantons Bern und als wissenschaftliche Adjunktin an verschiedenen Stellen. Sie hat Rechtswissenschaften studiert.

Sie wollen eine Radikalisierung vor allem auf lokaler Ebene bei Familien, Lehrstellen und Vereinen verhindern. Was erwarten Sie dort genau?

Es braucht die Nähe zu den Leuten: Der Lehrmeister und die Familie erkennen, wenn sich ein junger Mensch verändert. Wenn er plötzlich keinen Alkohol mehr trinkt und nicht mehr in die Disco geht. Oder wenn er negative Erlebnisse in seiner Ausbildung hat und mit Ablehnung auf sein Umfeld reagiert. Diese Kontaktpersonen müssen aufmerksam sein. Aufmerksam sein heisst nicht, sofort die Polizei anrufen, sondern die lokal bereits vorhandenen Beratungsstellen in Anspruch nehmen.

Im Bericht ist auch vom Migrationsbereich die Rede. Rechnet man mit den zunehmenden Flüchtlingsströmen auch mit mehr potenziellen Terroristen im Land?

Bisher hat der Nachrichtendienst keine Hinweise, dass mit den Flüchtlingsströmen Terroristen in die Schweiz kommen. Gerade die Flüchtlinge aus Syrien etwa fliehen ja vor Terroristen. Wir müssen aber aufmerksam sein. Deshalb befragt das Staatssekretariat für Migration Flüchtlingen Flüchtlinge auch speziell. Primäres Ziel ist dabei nicht, Täter zu erkennen. Vielmehr geht es darum, von Opfern von Kriegsverbrechen allfällige Hinweise auf Täter zu erhalten.

Das Gespräch führte Elisabeth Pestalozzi.

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