Am 9. Februar haben beide Lager zunächst lange gezittert. Doch dann war klar: das Schweizer Stimmvolk nimmt die Masseneinwanderungsinitiative der SVP knapp an – mit 50,3 Prozent.
Die Annahme der Initiative wird «als bedeutender eingeschätzt als die Abstimmungen über die Ausweitung der Personenfreizügigkeit 2005 und 2009, die Anbindung an Schengen/Dublin 2005 oder die Ausschaffungsinitiative 2010». So heisst es in der jetzt veröffentlichten VOX-Analyse des Forschungsinstituts gfs.bern und des Instituts für Politikwissenschaft und internationale Beziehungen der Universität Genf.
Bauchentscheid in letzter Minute
Der Entscheid zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» wurde stark vom Links-Rechts-Gegensatz geprägt. In diesem Sinne war das Resultat nicht viel anders als das früherer Abstimmungen.
«Auffallend war dieses Jahr die ungewohnt starke Mobilisierung von Personen, die normalerweise nicht an die Urne gehen», sagt Anke Tresch vom Forschungsinstituts gfs.bern im Interview mit Radio SRF. Die Forscherin hat an der Studie mitgearbeitet. «Diese Stimmenden haben mit 80 Prozent sehr deutlich Ja gesagt.»
Die Stimmen dieser wenig interessierten oder politisch wenig aktiven Stimmbürgern hat laut der Studie wesentlich zum Erfolg der SVP-Zuwanderungsinitiative beigetragen. Zudem zeigt sich, dass der Ja-Anteil bei den Stimmenden am höchsten war, die sich spät entschieden. «Diese Dynamik war der SVP-Initiative zuträglich und hat wohl letztlich den Grundstein zu ihrem Erfolg gelegt», lautet der Schluss der Studie. Obwohl nur wenige Befragte ihre Entscheidung spät trafen, war ihre klare Zustimmung zur Initiative für das Abstimmungsergebnis möglicherweise entscheidend.
Dieser Meinungsverlauf gilt für die Deutsch- und Westschweizer, nicht aber für die Tessiner, deren Zustimmung zur Initiative mehrheitlich schon vor Beginn der Abstimmungskampagne feststand.
Wie aus der Studie hervorgeht, stimmten generell besonders viele Stimmbürger mit geringem Bildungsniveau (obligatorische Schulpflicht) und aus der untersten Einkommensschicht (weniger als 3000 Franken) der Initiative zu. Oder: «Je höher das Einkommen, desto klarer die Ablehnung der Initiative das gleiche gilt für die Bildung», fügt Scherer nach der Analyse der Befragungen an.
Europa- versus Migrationsfrage
Vorrangig bei den Ja-Sagern waren Fragen rund um die Migration. «Das Argument, grundsätzlich gegen die Migration zu sein oder diese mindestens selber limitieren zu können, war für sie sehr wichtig», sagt Anke Tresch. Für die Nein-Seite seien hauptsächlich wirtschaftliche Überlegungen entscheidend gewesen. Die bilateralen Verträge mit der Europäischen Union waren laut Tresch nicht das Hauptargument.
Ganz im Gegensatz zu den Befürwortern der Initiative: «Sie waren sich offenbar der anstehenden Problematik mit den bilateralen Verträgen bewusst und sie waren gewillt, eine Kündigung in Kauf zu nehmen», so die Meinungsforscherin.
Interessant ist auch, welche Parteianhänger sich liniengetreu verhalten haben und welche nicht. Während SVP und SP ziemlich geschlossen Ja, respektive Nein stimmten, scherten besonders in der FDP viele aus. Gemäss der Studie waren es 40 Prozent, die entgegen der Empfehlung der Parteispitze, ein Ja in die Urne legten.
Dies sei allerdings wenig überraschend, so Anke Tresch. Die FDP-Anhänger haben etwa auch die Minarett-Initiative (2009) angenommen oder auch Ja gesagt zur Rückschaffungsinitiative im Jahr 2010.
«Bei migrationspolitischen Fragen hat die FDP tatsächlich Schwierigkeiten ihre Anhänger bei der Stange zu halten.» Bei Europafragen sehe das anders aus, doch sei die Abstimmung am 9. Februar doch eher eine migrationspolitische gewesen, sagt Tresch.
VOX-Befragung
Die Analyse der Abstimmung vom 9. Februar 2014 beruht auf den Ergebnissen der VOX-Befragung. Das Forschungsinstituts gfs.bern führte die Befragung durch, und das Institut für Politikwissenschaft der Universität Genf analysierte die erhobenen Daten. Die Untersuchung beruht auf einer repräsentativen Befragung, die in der ganzen Schweiz innerhalb von zwei Wochen nach der Volksabstimmung durchgeführt wurde. Die Stichprobe umfasst 1511 stimmberechtigte Personen.