Wie der «Tagesanzeiger» berichtet, überlegt die SVP, eine Person in der Parteileitung zu bestimmen, der oder die sich mit Familien- und Gesellschaftspolitik befasst – die Frauenpartei soll in der jetzigen Form nicht weitergeführt werden.
SRF News: Was könnten die Folgen sein, wenn mit der SVP die wählerstärkste Partei ihre Frauenpartei aufgibt?
Stefanie Bailer: Die Folgen einer solchen Entscheidung wird man sicher bei der Rekrutierung und bei den Inhalten spüren. Gerade bei der Rekrutierung werden noch weniger Frauen in der Partei selbst aktiv und dann auch entsprechend im Nationalrat vertreten sein. Derzeit hat die SVP nur 16 Prozent Frauen in ihrer Fraktion. Durch diese Entscheidung wird sich dies auch nicht stark verbessern. International hat man gesehen, dass gerade aktive Frauen auch zu einem höheren Frauenanteil in den entsprechenden Parlamenten führen. Inhaltlich ist es so, dass Frauenthemen vermutlich nicht gestärkt werden, wenn Frauen organisatorisch schwach vertreten sind.
Wenn man bei den SVP-Frauen nachfragt, sagen diese, die heutigen Frauen hätten genügend Selbstvertrauen, um direkt in der Mutterpartei aktiv zu werden...
Das kann man so sehen. Es wundert mich auch nicht, dass diejenigen Frauen, die bereits in der Partei erfolgreich sind, dies sagen. Aber es gibt auch Untersuchungen dazu, dass Frauen gerne ein niederschwelliges Angebot suchen und erst einmal Frauensektionen ausprobieren. Gerade Parteistrukturen sind oft nicht sehr ansprechend. Die klassische Parteikarriere wird von Frauen nicht besonders geschätzt. Frauensektionen bieten mit bestimmten Themen Einstiegs- und Kontaktmöglichkeiten.
Die Präsidentin der SVP-Frauen, Judith Uebersax, sagt aber auch, das Interesse der Frauen sei gering gewesen. Besteht kein Bedarf oder lag es am Angebot?
Es gibt ja verschiedene Angebote. Man muss vielleicht wirklich mehr investieren, um das Angebot zu finden, welches Frauen eben anspricht. Das ist sicher nicht einfach. Das Problem haben alle Parteien bei der Rekrutierung. Aber Veranstaltungen, die die Frauen direkt ansprechen, sind sicherlich ein Weg. Dafür braucht es aber auch etwas mehr Ressourcen, und diese bekommen die SVP-Frauen offensichtlich nicht.
Kann eine Frauenpartei nicht auch lästig sein, wenn sie zum Beispiel andere Parolen fasst als die Mutterpartei?
Aus Sicht der Parteileitung kann das lästig sein. Aber andererseits vertritt die Frauenpartei 50 Prozent der Wählerschaft – nämlich die Wählerinnen. Deshalb muss man sich auch fragen, ob es sich eine Partei leisten kann, diese Wählerinnen gar nicht anzusprechen, in dem sie den Frauen kein Forum bietet. Denn ein solches würde auch zeigen, dass sie sich mit den Interessen der Frauen auseinandersetzt.
Das Gespräch führte Urs Gilgen.