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Schweiz Sans-Papiers machen keine Lehre – obwohl erlaubt

Seit einem halben Jahr dürfen jugendliche Sans-Papiers eine Lehre in der Schweiz machen. Bisher hat erst eine Jugendliche ein Gesuch eingereicht. Woran liegt das?

300 bis 500 jugendliche Sans-Papiers schliessen laut offiziellen Schätzungen jedes Jahr hier die Schule ab. Seit einem halben Jahr können sie auch eine Lehre in der Schweiz machen, sofern sie fünf Jahre hier zur Schule gegangen und gut integriert sind. Dies beschloss das Parlament nach jahrelanger, hitziger Debatte.

Die Schweizerische Städteinitiative schätzte, dass es 300 bis 500 Gesuche pro Jahr geben wird. Doch statt Hunderten machte bisher nur eine Jugendliche vom Angebot Gebrauch. Dies berichtete die Aargauer Zeitung letzte Woche.

Motionär Luc Barthassat ist irritiert: «In Kantonen wie Genf hatte man auf diese neue Direktive gewartet, weil es viele Sans-Papiers-Jugendliche gibt, die eine Berufslehre machen möchten. Darum erstaunt mich die tiefe Zahl.»

Fachleute nicht erstaunt

Regula Erazo von der Sans-Papiers-Anlaufstelle in Luzern ist allerdings nicht überrascht: «Wenn es um Lehrstellen geht und die Jugendlichen einen Antrag stellen, dann müssen sie Papiere und Dasein offenlegen.»

Die Jugendlichen müssen demnach nicht nur ihre Identität bekanntgeben. Sie decken mit dem Antrag auch ihre Familie auf und riskieren deren Ausschaffung. Die Behörden sind verpflichtet, gegen illegal Anwesende vorzugehen. Ob sie das dann tatsächlich tun, liegt in ihrem Ermessen.

Bundesamt sieht keinen Widerspruch

Für eine Lehrstelle die eigene Familie auffliegen lassen? Das dürfte kaum ein jugendlicher Sans-Papier riskieren. Ist die Verordnung also nicht widersinnig? – Einerseits ermöglicht die Schweiz den Papierlosen eine Lehre, andererseits droht man Eltern mit der Ausschaffung, sobald das Gesuch gestellt ist?

Beim Bundesamt für Migration will man das nicht so sehen. Direktor des Bundesamtes, Mario Gattiker sagt dazu: «Es besteht auch für Familienmitglieder die Möglichkeit, ein Gesuch einzureichen für eine Härtefallbewilligung.»

Jugendliche Sans-Papiers outen sich also besser nur dann, wenn die ganze Familie gute Chancen auf eine Härtefallregelung hat. Die umstrittene Verordnungsänderung hat für sie nicht viel gebracht.

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